24.09.2014-29.09.2014

Eine kulinarische Depression, peruanische Rettung und letzten Tage in Kolumbien. 

 

Seit Stunden stossen meine Knie unablässig gegen Metallstreben und neben den roten Kreisen der Sandfliegenbisse gesellen sich langsam schöne blaue Flecken auf meinen Beinen dazu. Die Fahrt nach Mocoa, acht Stunden südlich von der Tatacoa-Wüste ist anstrengend. Phillipe liest, ich höre Musik und beobachte wie sich draussen langsam die Landschaft ändert. Wir fahren an den westlichsten Rand des Amazonas-Regenwaldes, die trockenen Felder verwandeln sich zuerst in hohe Berge, dann kommt ein saftiges Grün dazu, dichte Wälder und kleine weiße Nebelwolken, die sich vor die untergehende Sonne schieben. 

Es ist dunkel als wir an einem kleinen Busbahnhof ankommen und wir haben nur noch zwei Dinge im Kopf: Hostel und Essen.

Da Mocoa jenseits des Gringo-Trails (die übliche Reiseroute aller Touristen) liegt, gibt es hier genau eine Unterkunft für Backpacker, aber -wir wollen es kaum glauben- es gibt einen Pizzabringdienst!   

Vorfreudig sitzen wir auf der Veranda, trinken ein kaltes Bier, und lauschen den neuen Geräuschen des nächtlichen Dschungels. ¨ Putain!¨, ruft Phillipe plötzlich und springt abrupt auf, das Bier und Stuhl umfallen. Wie wild geworden hüpft mein treuer companero auf einem Bein die Veranda hoch und runter. Eine ein Zentimeter große, dicke, schwarze Ameise hat ihn in den Zeh gebissen. Innerhalb weniger Minuten verdoppelte sich die Größe des Zehs auf das Doppelte. Ich bekomme es etwas mit der Angst zu tun, denn das ganze sieht nicht gut aus und seine Gesichtsfarbe hat sich von sonnenbrandrot in mir-wird-schlecht-weiß verwandelt. Wir finden einen Beutel gefrorener Erbsen im Kühlfach und ich habe eine Kortisonsalbe dabei, was beides in Kombination ziemlich schnell Wirkung zeigt. Nach 10 Minuten habe ich den vollständigen Franzosen wieder neben mir sitzen und wir erklären Ameisen für die nächsten Tage zu unseren Todfeinden. 

Und dann endlich kommt die Pizza! Oh wie freuen wir uns. Bei dem Gedanken an einen knusprigen Teig und zartschmelzendem Käse läuft mir das Wasser im Mund zusammen! 

Als wir allerdings den Karton öffnen sind wir schnell ernüchtert: ein Boden aus pappigem Areppa, darauf ein paar Maiskörner und künstlicher Käse, von Salami weit und breit keine Spur. 

Genervt, hungrig und völlig übermüdet gehen wir schlafen. Ich hätte nie gedacht, das mangelndes gutes Essen so auf die Laune schlagen kann, aber nach ein paar Wochen Hühnchen, Reis, Bohnen und frittierten Empanadas leiden wir beide unter einer schweren kulinarischen Depression und beschliessen Kolumbien  ganz bald zu verlassen. 

Die Depression hält den ganzen nächsten Tag an, die Stimmung ist gereizt, die Ameisen versuchen in kleinen Terroreinheiten uns das Leben zur Hölle zu machen und dann müssen wir nachmittags auch noch unser schönes Zimmer, wegen einer Doppelbuchung, gegen den Gemeinschaftsschlafsaal eintauschen. Um die Stimmung etwas zu heben und um kurze Zeit den Plagegeistern zu entkommen mache ich mich auf den Weg in die Stadt. Ich scheine die einzige Touristin seit Jahren zu sein, denn ich werde von allen Seiten angestarrt, nicht freundlich, sondern misstrauisch.

In einem Supermarkt finde ich dann tatsächlich Spaghetti und etwas, das ich für Tomatensoße halte, sogar Käse kann ich auftreiben. Zusammen mit einem Bier scheint mir das ein gutes Akute-Phase-Mittel gegen kulinarische Depression zu sein und ich mache mich rasch auf den Rückweg aus dieser feindseligen Stadt.

Mein Plan geht leider nicht auf. Die Tomatensoße entpuppt sich als Ketchup! Es soll wohl einfach nicht sein. 

Abends kommt dann noch eine Österreicherin als dritte Person in den Schlafsaal, aber es fehlt mir an jeglicher Geduld ein Gespräch mit ihr zu beginnen, obwohl sie sehr nett aussieht. 

Mocoa ist nicht unser Platz und es wundert einen auch nicht, daß das Hostel um Verkauf steht. Für 120.000Euro könnten wir es kaufen, incluse einer Tennishalle im Dschungel, die der belgische Besitzer in völliger Naivität vor wenigen Jahren gebaut hat. Was er sich wohl dabei gedacht hat? Die Durchschnittstemperatur beträgt 35Grad, die Luftfeuchtigkeit 70-80%, die Bevölkerung hier lebt von Landwirtschaft und Coca-Anbau, das Gebiet ist nach wie vor Spielball zwischen Guerilla und Paramilitärs. Ich habe keine Lust auf Tennis, ich will nur weg hier. 

 

Am nächsten Morgen besteigen wir dann einen kleinen VW-Bus. Unser Ziel: Pasto. Der Weg: die death-road, Todesstraße, Kolumbiens. Todesstraßen werden in Südamerika Straßen genannt, die unbefestigt entlang tiefer Schluchten vorbeiführen. Schotterpisten mit unzähligen Schlaglöchern, die bei starkem Regen auch gerne mal  in die Tiefe abrutschen.

Aber manchmal ist einem selbst das egal, manchmal will man einfach nur weg. Und so fahren wir entlang von Schluchten , die 400m tief steil abfallen, links und rechts rießige Berge. Die Leitplanke ist immer wieder durch Erdrutsche zerstört, aber im Großen und Ganzen und vorallem weil es nicht regnet fühle ich mich nicht dem Tode nahe.

 

Als wir Abends in Pasto ankommen endeckt Phillip ein peruanisches Restaurant: ¨Laß uns richtig essen gehen!¨sagt er euphorisch. Peruanisches Essen ist auf dem ganzen Kontinet als das Beste bekannt.

Und so machen wir uns beide sogar ein bisschen schick, soweit das als Rucksack-Tourist eben geht. Ich  finde in den Tiefen meines Koffers meine Wimpertusche und sogar eine kleine Parfumprobe wieder; für 10Euro erstehe ich noch schnell ein paar schöne Ballerinas und so gehen wir (fast) wie zwei normale Menschen in das kleine, sehr schöne peruanische Restaurant und können unser Glück kaum fassen: chilenischer Rotwein in richtigen Weingläsern, Langgusten im Quinoamantel, frische Ceviche und Salat! Die Essensdepression ist beendet und wir sind mit der Welt und uns versöhnt. Satt, ein bisschen beschwipst und unendlich glücklich fallen wir in einen tiefen Schlaf.   

 

Pasto ist schnell besichtigt. Ausser unzähligen Kirchen gibt es hier nur Geschäfte mit billiger Kleidung und billigem Essen. Die einzigste Sehenswürdigkeit, das Goldmuseum, ist in 10 Minuten besichtigt, denn es beherbert lediglich einen Ausstellungsraum.

So verbringen wir den restlichen Tag mit Spanischvokabeln lernen, Gitarre spielen und lesen.

Am Abend treffen wir Anja, die Österreicherin aus Mocoa wieder. Ich freue mich, denn Anja ist cool. Als Biologin hat sie die letzten 6 Monate in Panama Fledermauspopulationen gezählt und ausgewertet. ihre Oberarme zieren Tatoos mit Blumen, Mustern und Tieren aus dem Amazonas, die Nase und Lippen sind gepierct. Die letzten Wochen ist sie mit einem Australier durch Kolumbien gereist und hat dabei nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Eine kurze, manchmal vielleicht auch zweckmäßige Traveller-Liebe. Gebannt höre ich ihr zu, denn solche Gespräche sind rar, wunderschön und ein  bisschen ersetzen sie die fehlenden daily-soaps.

Mit Anja hätte ich noch eine Weile reisen können, leider geht es für sie am nächsten Tag Richtung Quito und zum Flug nach Hause.

 

Phillipe und ich sind am nächsten Tag endlich wieder unternehmungslustig. Wir fahren zur Laguna de la cocha, ca. eine Stunde von Pasto entfernt.

Ein kleines Dorf schmiegt sich hier  an einen dunkelblauen See und will so gar nicht in das kolumbianische Muster passen. Die Häuser haben spitze Dächer und die Giebel sind mit Holzschnitzereien verziehrt. In alten Töpfen und großen Blechkanistern baumeln rosa Geranien von den Balkonen. 

Mit einem kleinen peque-peque fahren wir zu einer Insel in der Mitte des Sees, essen geräucherten Saibling und versuchen im Anschluß an das Mittagessen unser eigenes Angelglück. 

Während sich vor uns über dem See eine Regenfront zusammen braut, sitzen wir in dem kleinen Boot noch in der Sonne, jeder eine Angel in der Hand und warten auf den großen Fang. Ich gebe zu, ich habe mir das mit dem angeln leichter vorgestellt. Nach einer Stunde haben wir einen 70g schweren Fisch an Land gezogen und unsere kolumbianische Bootsführerin sieht uns mitleidig nach als wir uns am Abend wieder auf den Heimweg machen. 

 

Im Hostel angekommen spricht mich auf dem Weg zum Bad eine robuste Blonde an. ¨He, bist Du die Deutsche mit dem Franzosen?¨, frägt sie. ¨Äh, jaaaa...¨, wundere ich mich.

Gabi, eine Ärztin aus Heidelberg , hat von der Frau am Empfang erfahren, daß wir am nächsten Tag Richtung Ipiales wollen und sucht noch jemanden, dem sie sich anschließen kann. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen, deutsche Ärztin bin ich selbst genug und ich befürchte lange Gespräche über die Ungerechtigkeiten unseres Berufstandes.

Ich erkläre ihr daß wir zuvor noch zu Laguna verde, einem Vulkan auf dem Weg nach Ipiales wandern wollen, 5000m hoch und sehr sehr anstrengend. ¨Ja supi! Da komm ich dann mal mit!¨

Ja supi, denke ich mir und nicke tapfer: ¨Kannst Du um acht fertig sein?¨

 

Um zehn vor acht steht sie pflichbewusst vor unserer Tür. Okay, dann eben mit Gabi..

In einem kleinen colectivo machen wir uns auf den Weg und sind schon bald gefesselt von der Landschaft, die sich da vor uns auftürmt. Wir kommen Ecuador näher und die Anden werden wilder und steiler, der Himmel ist stahlblau.

Nach zwei Stunden erreichen wir Túquerres, ein kleines Bergdorf, es ist Marktag und um uns herum sitzen Frauen in Ponchos gehüllt und verkaufen Obst und Gemüse, Hühner und Rosenkränze.

Im Getümmel finden wir einen Taxifahrer namens Hernan, der uns zum Vulkan fahren wird.

Aber wir haben die Rechnung ohne Gabi gemach! Zuerst müssen wir nämlich noch Wanderproviant kaufen und so eine Entscheidung, ob Bananen oder Physalis, kann dann auch schon mal was dauern. Anschließend diskutieren wir darüber, ob das Gepäck beim Taxifahrer sicher ist, halten nochmal, weil sie vergessen hat Wasser zu kaufen, und einen dritten Stopp legen wir ein, weil es vernünftiger ist vorher nochmal auf die Toilette zu gehen. ¨Putain¨, nuschelt mein Franzose genervt auf dem Vordersitz.

Nachdem Gabi sich für alle Eventualitäten, einschließlich eines Atomkriegs gerüstet hat, erreichen wir endlich den Wanderweg zum Vulkan. Hernan, der heute keine großen Taxiumsätze mehr erwartet  schließt sich uns spontan an.

Der Weg ist steiler, aber die Aussicht unbezahlbar. Eine sanfte Parana-Landschaft, tiefe Täler und unzählige hohe Berge. Phillipe und Hernan haben sich schnell einen Vorsprung erarbeitet und so bleibe ich mit Gabi alleine zurück. Wir legen 1000Höhenmeter zurück und befinden uns auf einer Höhe von 4000m, die Luft ist megadünn und diese Frau erzählt ohne Punkt und Komma. Worüber? Ja klar, wie ungerecht es ist in Deutschland als Ärztin zu arbeiten 

Als wir jedoch die Laguna verde erreichen, muss auch meine Begleiterin mal ganz kurz Luft holen. Der Anblick ist atemberaubend: ein tiefgrüner Kratersee, das Ufer schwefelgelb und überall dampft und zischt es. Wolken ziehen vorüber, ein beißender Geruch. 

Ich erkunde das ganze Gebiet ausgiebig, denn ich habe gerade die ¨Vermessung der Welt¨ zu Ende gelesen und stelle mir vor wie Humboldt und sein französischer Begleiter Bonplant das alles hier wohl so erlebt haben. Als ich nach meinem französischen Begleiter Ausschau halte, muss ich grinsen: 

Er steht umringt von einer Gruppe Kolumbianerinnen und jede möchte ein Foto mit ihm. Und während er a so das Mannequin gibt, verbrenne ich mir die Hände in einem Schwefelloch. So kanns gehen.

 

Auf dem Rückweg übe ich mit Hernan mein 100 neuen spanischen Adjektive aus, die ich die Tage zuvor gelernt habe und freue mich wie ein Schneekönig, das er mich versteht.

Hernan ist 25Jahre alt, verheiratet und hat einen Sohn. Er möchte alles wissen über Deutschland und Frankreich und frägt uns Löcher in den Bauch: Was die Leute da so arbeiten, ob wir auch Berge und Taschendiebe haben, warum wir keine Meerschweinchen essen und welche Sorten Kartoffeln bei uns so wachsen, ob Cocaanbau in Europa legal ist und ob wir bald mal wieder kommen. Tja, da fällt einem nicht jede Antwort leicht.

 

Abends um acht erreichen wir Ipiales. Eine unwirtliche Grenzstadt im Südwesten Kolumbiens.

Dort angekommen wollen wir Drei in ein Hostel, welches im Reiseführer empfohlen wurde. ¨ Um Gotteswillen!¨, ruft der Taxifahrer, das Hostel läge in einer ganz gefährlichen Ecke. Für Phillipe und mich ist klar, das wir dem Rat des Taxifahrers auf jeden Fall folgen, Gabi protestiert, sie hat Angst vom Taxifaher ausgeraubt zu werden. Wir überhören sie einfach. Nach sechs Stunden Wanderung mag man einfach nicht mehr über alles diskutieren. 

 

In einem netten Hotel angekommen, ist es ihr dann zu teuer (12€/Nacht). Und so klappere ich mit ihr noch zwei weitere Hotels ab, bis sie sich dann doch entschließt aus Sicherheitsgründen bei uns im Hotel zu bleiben. Dann überlegen wir noch ob sie Geld braucht, wenn ja wieviel, bei welcher Bank, oder lieber doch nicht, oder doch erst morgen, aber nicht so viel und ob man wohl das Leitungswasser trinken kann und ob das Hotel auch sicher ist...da kann man dann auch irgendwann nicht mehr helfen. 

Und während Gabi noch alle Eventualitäten auf ihre pros und contras abwägt, gönnen Phillipe und ich uns noch ein letztes Mal Hühnchen mit Reis und Bohnen mit einem letzten Club colombiana-Bier und freuen uns, das wir zwei uns gefunden haben.

 

Am nächsten Morgen bringen wir Gabi zum Bus nach Quito und schauen uns danach noch die berühmte Kirche Las Lajas an. Anschließend fahren wir mit einem total verrückten Taxifahrer zur Grenze, der uns auf der ecuadorianischen Seite rauslässt. Das wir erst noch zur kolumbianischen Grenzbehörde müssen ist ihm egal, er ist sauer, das wir nur wenig Trinkgeld (15%) gegeben haben und lässt uns im Regen stehen

 

Die Grenzformalitäten sind schnell erledigt. Ein ernst dreinblickender Ecuadorianer schaut mir tief in die Augen, dann grinst er, der Stempel macht klack-klack und ich darf einreisen. ¨Bienvenidos en Ecuador, senora!¨

Hasta luego, Colombia, denke ich. Ich hab das Land tief in mein Herz geschlossen!

 

Bis ganz bald wieder! Eure zutiefst zufriedene, wahnsinnig glückliche und mit allem versöhnte Nici

 

 

 

14.09.14-23.09.2014

Companeros de viaje, geänderte Pläne und zuviel Rum in der Wüste

 

Ich ziehe meinen Koffer die 4km vom Hippiehostel über den Schotterweg zurück ins Dorf. Wenn ich nur wüsste wo der Bus nach Armenia abfährt? 

¨Salut!¨, plötzlich steht ein Typ mit wildem Bart, einer Zigarette im Mundwinkel und einer Gitarre über der Schulter neben mir und grinst mich an. ¨Salut!¨, sage ich refelxartig. Where are you going? Wohin ich will?, , frägt er mich auf englisch mit einem starken französischen Akzent. ¨Nach Armenia und dann gleich weiter nach Popayán, dann Pasto und bei Ipiales über die Grenze nach Ecuador¨. Ich auch, sagt er, lächelt verschmitzt und gemeinsam laufen wir zum Bus.

Manchmal reichen hier zwei Blicke und man weiß ob man aus dem gleichen Holz geschnitzt ist und ob man im gleichen Stil reist. Wir lassen uns auf die letzte Bank im Bus fallen und grinsen uns an und wissen, das wir jetzt erstmal eine Weile zu zweit unterwegs sein werden.

Phillipe ist Biologe, die meiste Zeit hat er auf großen Fischerbooten vor La Réunion gearbeitet um Daten über den Fischbestand zu sammeln. So sieht er aus, wie ein Seemann. Vor 6 Monaten hat er seine Reise in Französisch-Guyana begonnen, ist durch den brasilianischen Regenwald nach Bolivien und nun nach Kolumbien...jetzt geht es die Panamericana entlang Richtung Süden, im Dezember will er Patagnonien umrunden.

In Armenia müssen wir den Bus wechseln, es geht in einem kleinen Mini-Van weiter. Es ist schön, jemanden zu haben, der am Busbahnhof mal schnell auf das Gepäck aufpassen kann, um auf die Toilette zu gehen, und die Preise sind auch besser. 

Während Phillipe mit der Gitarre im Arm eine Reihe weiter hinter mir schläft, setzt sich in Cali eine rundliche ältere Frau neben mich. 

Diese Kolumbianer...sie ertragen es einfach nicht, neben jemanden schweigend zu sitzen. Und dabei spielt es keine Rolle, ob derjenige auch die gleiche Sprache spricht oder versteht.  Und so hat sie mich nach bei der erstbesten Möglichkeit am Wickel. Ich erfahre in den folgenden Stunden alles über Dona Carmens Tochter, die sie gerade in Cali besucht hat, ihren unverheirateten Sohn, der als Architekt in Afrika arbeitet, den kulinarischen Spezialitäten Popayáns und ihren Ehemann Oscar, dem Anwalt. 

Manchmal wundere ich mich, wie man Sprache lernt, es scheint oft wie von selbst zu gehen, zumindest kann ich ihr doch auch einiges von mir erzählen, oft korriegiert sie mich, aber es macht auch irgendwie Spass. Wir mögen uns, die stämmige Dona Carmen und die Gringa aus Alemania. Kurz vor Popayán frägt sie mich nach meiner email-Adresse. Die möchte sie ihrem Sohn geben, der solle mich mal in Deutschland besuchen, vielleicht würde ja mehr draus. Ihr würde eine deutsche Schwiegertochter sehr gefallen, sagt sie und gibt mir einen dicken Schmatzer auf die Backe. 

Als wir in Popayán ankommen werden Phillips und mein Koffer in den Kofferraum von Dona Carmens und Don Oscars Auto gepackt, wir werden als Gäste in ihrer Stadt selbstverständlich von beiden persönlich zum Hostel gefahren! Wir sollen uns auch nicht scheuen, sie anzurufen, wenn wir essen gehen wollen oder Fragen hätten. Zum Abschied werden wir gedrückt und gebusselt und ich bin mal wieder völlig sprachlos über soviel Liebenswürdigkeit. 

Popayán ist eine tolle kleine Stadt, weiß getünchte koloniale Häuser mit geschnitzten Holzbalkonen, Bäume, die aus Trillionen knallgelber Blüten bestehen und  Schatten spenden. Das Leben hier ist gemächlich, die Menschen freundlich und sehr würdevoll, wie sie mit ihrer feiner Kleidung über die Plaza schlendern.

Nachdem wir uns im Hostel eingerichtet haben, es ist bereits dunkel, ziehen Phillip und ich los. Ein gegrilltes Würstchen mit Ananas-Salsa und ein kaltes Bier auf der Plaza. Danach eine Bar, es läuft columbianischer Rock, zum erstenmal kein Salsa. Wir bestellen die hier übliche halbe Flasche Rum, sitzen auf großen Sitzkissen auf dem Boden, über uns die kolumbianische Nacht. Wir erzählen und spielen ein Würfelspiel, bei dem ich einmal verliere und mich verpflichte morgen einen Kuchen zu backen. Im Gegenzug gewinne ich ein Frühstück, eine Gitarrenstunde und einmal Gepäck tragen. Es läuft gut für mich, würde ich sagen!

Wir tanzen, trinken und fallen früh am Morgen berauscht von der Nacht und dem Lebensgefühl frei zu sein ins Bett.

 

Rum ist etwas, was man verbieten sollte. Strikt! Denn es beschert einem die schlimmsten Kopfschmerzen dieser Welt! Ich bin froh ein Frühstück gewonnen zu haben, so habe ich schon mal ein Problem weniger. Den Sonntag verbringen wir leidend im Hostel, jeder Schritt schmerzt im Kopf, lediglich die Übelkeit wird nach den Rühreiern besser.

Am Abend bin ich wieder soweit hergestellt, dass ich meinen ersten Apfelkuchen auf kolumbianischem Boden backe. Aber Kolumbien ist nicht Deutschland. Backen ist hier gar nicht so einfach, die Zutaten sind zum Teil schwer zu bekommen und am Ende schmeckt alles doch etwas anders. Nachdem ich das Ganze dann auch noch im Gasofen backen muss, kommt am Ende ein wenig respektables, ziemlich verbranntes Gebilde zum Vorschein, was jedoch innerhalb kurzer Zeit von den Hostelbewohnern verspeist ist. Kuchen ist hier etwas Seltenes und alle haben ein bisschen Sehnsucht nach europäischem Essen.

Die Franzosen reden die ganze Zeit von verschieden Versionen einer Foie gras, die Schweizer vermissen am meisten den Käse und die Deutschen ein anständiges Frühstück mit Vollkornbrot. Was wir aber alle mittlerweile nicht mehr sehen können sind Arepas, da sind wir uns einig. Diese oft nach gar nichts schmeckenden, in der Konstistenz an Pappe erinnernden Maisfladen. Sie werden zum Frühstück, zum Mittagessen und Abends gegessen, manchmal hat man den Eindruck, wenn den Kolumbianern nichts mehr einfällt essen sie erstmal Arepa. 

 

Am nächsten Morgen gehts für Phillipe und mich mit den Mountainbikes in die Berge. Ebenfalls auf kolumbianische Art: Mit dem Auto hoch, erstmal zwei Stunden in einer Thermalquelle abhängen und dann gemütlich 40km downhill fahren. Vorbei an Wasserfällen, Kuhherden, durch kleine Dörfer und vulkanischen Bergen. Wir machen Mittagspause auf einer grünen Wiese, essen Empanadas und grinsen uns an. Viel reden ist schwierig, wir sprechen eine Art franglish-spanglish....aber wer muss schon die ganze Zeit reden. Manchmal ist es einfach schön, Dinge nicht alleine machen zu  müssen.

 

Abends kochen wir, ich bekomme meine erste Gitarrenstunde und wir beschließen uns am übernächsten Tag mit dem Zelt auf eine mehrtägige Tour in die Tierradientro, die Tatacoawüste und via Todestrampolin, eine nicht ungefährliche Bergstraße, weiter nach Pasto aufzumachen.

Will ich meinen Spanischkurs in Ecuador antreten, hätte ich nur 5 Tage dafür Zeit. Aber einer meiner großen Vorsätze für diese Reise war, keinen fixen Plan zu haben, nichts sollte mich einschränken, ich möchte jeden Morgen neu entscheiden können. Ich verschiebe also den Kurs und am Dienstag machen wir uns mit Sack und Pack, Zelt und Gitarre auf nach San Andrés in der Tierradentro.

 

In einem kleinen Bus fahren wir steile Berge und holprige Schotterpisten entlang. Vulkane, tiefes Grün, steile Abhänge und reißende Flüsse fliegen am Fenster vorbei.

Ich sitze mit Phillip eingequetscht vorne neben dem Fahrer. Ich betrachte meinen französischen companero mit seinem wilden Bart während er schläft und muss lächeln. Ich freue mich, denn ich habe in so kurzer Zeit soviele Menschen kennengelernt, mit denen ich mich blind verstehe, die die selben Dinge mögen, über gleiche Sachen nachdenken, ihr Leben in ähnlicherweise Leben wollen, die unkompliziert sind und mir aus der Seele sprechen. Ich bin sehr froh, diese Reise angetreten zu haben. 

 

San Andrés, ein Dorf mit vielleicht 100 Einwohner, 500 Hühnern und ein paar Kühen in den Bergen der Tierradentro, berühmt wegen seiner hunderte Jahre alten Gräber tief im Inneren der umgebenden Hügeln.  Vor wenigen Jahren noch Guerilla-Sperrgebiet, heute hält langsam der Tourismus Einzug: Es gibt ein Hostel in dem wir ein schönes Zimmer bekommen, ein Bambushaus mit Terrasse und Hängematten. 

Nach 7Stunden Busfahrt gilt es erstmal auszuruhen. Phillipe spielt Gitarre, ich lese ¨die Vermessung der Welt¨, in meinem Bauch nichts als Wohlgefühl.

Plötzlich höre ich eine zweite Gitarre, jemand singt auf französisch. Wir treffen auf Samuel und Irène aus der Normandie. Sie reisen seit eineinhalb Jahren durch Südamerika, sind mit dem Auto durch Patagonien gefahren und haben demnächst einen Job auf einer Kaffeeplantage. 

Ein Blick und schon sitzen wir beim Abendessen, trinken danach ein, zwei Bier auf der Terrasse, die Jungs spielen französische Lieder auf der Gitarre, Irène und ich liegen gemütlich in der Hängematte und  sie verrät mir gute Restaurants in Ecuador. Gut bedeutet unter den Backpackern hier: das Essen ist nicht frittiert, es gibt kein Reis, und man bekommt Gemüse.

 

Die nächsten zwei Tage erwandern wir uns zu viert Höhlengrab um Höhlengrab, teilen uns die Orangen, die wir von zwei Jungs aus dem Dorf für eine Übersetzung vom Spanischen ins Englische bekommen haben. Und während wir unter einem Zitronenbaum liegen und rasten denken wir darüber nach was wohl für ein Wochentag ist. Wir beschließen nach einer ganzen Weile, das es eigentlich egal ist.

Auch wenn es für viele vielleicht den Anschein hat, das sich hier alle auf einem niemals endenden Urlaub befinden und vor der Arbeit flüchten, ist die Realität doch ein bisschen anders:

Die meisten, die ich hier treffe,  hatten davor gut dotierte Jobs, haben lange gespart und leben hier sehr genügsam. Viele arbeiten unterwegs immer wieder auf Farmen oder in Hostels, lernen neue Sprachen oder Instrumente und knüpfen Kontakte aus denen neue Ideen entstehen. Auch gibt es hier einen gewissen Alltag der bewältigt werden muss: Touren planen, Hostels suchen, einkaufen und kochen und Wäsche waschen in den immer kalten Dusche (habe tatsächlich in den letzten Wochen erst zweimal heiß geduscht). Schlafen in ranzigen Betten, weil sie billig sind, stundenlange Fahrten in engen Bussen, immer wieder smalltalk in verschiedenen Sprachen in den Hostels. All das gehört dazu, kann aber auch ganz schön anstrengend sein. Das Gute an all den Dingen ist, dass man Zeit dafür hat und sich  ihnen mit Leidenschaft widmen kann.

 

Nach drei Nächten in San Andés machen Phillipe und ich uns früh morgens um sechs auf nach Villavieja in der Tatacoawüste. Sechs Uhr ist kein Problem, denn das Leben hat hier einen anderen Rhythmus. Man geht hier wortwörtlich mit den Hühner schlafen und wird morgens gegen halb fünf wieder von den ersten Hähnen geweckt.

6 Stunden in kleinen Bussen, einer Polizeikontrolle, bei der sich alle einer Leibesvisitation unterziehen müssen und einen kompletter Klimawechsel später erreichen wir das Hostel del noche saturno. Ein kleiner Schuppen in der Wüste, ein paar verdörrte Bäume und ein kleiner Pool!

Ich liebe die Wüste und bin froh wieder in einer zu sein. Die trockene Hitze, die sandigen Farben, die von lila über terracotta bis hin zu smaragdgrün reichen, die Weite, die Stille. In den Bäumen sitzen quitschgelbe und knallrote Vögel, ein dicker Leguan liegt gelangweilt auf einem Ast und schaut uns beim Zelt aufbauen zu. 

 

Phillipe hat ein kleines Zelt, gerade groß genug für zwei Personen, Isomatten haben wir keine, lediglich meine Bus-Decke dient als Untergrund.

Während die Sonne über der Wüste untergeht und alles in ein unwirkliches rosa hüllt,  kühlen wir uns im Pool ab. Abends sitzen wir mit zwei Kerzen vorm Zelt, ich höre der Gitarre zu, wir haben Rum und in der Ferne knattert ein Stromgenerator. 

 

Am nächsten Morgen, ich gebe zu die letzte Nacht war ziemlich unbequem, gehts in die Wüste.

Mit Octavio unserem Guide und drei Pferden.

Ich habe Respekt vor den Tieren, auch wenn mein Pferd mit dem Gaucho-Saumzeug auf den süßen Namen Canellita hört. 

Gemütlich traben wir durch diese wunderschöne Landschaft, die vor tausenden Jahren eine Süßwasserlagune war. Phantastische Sandgebilde in unterschiedlichen Rot-und Grüntönen sind durchsetzt mit ausgetrockneten Flussbetten, rießige Kakteen und am Horizont die Cordilleren in Blautönen. 

Leider hat Canelita keine Lust auf gemütliches Traben und imm wieder fällt sie in wilden Gallopp und so düse ich auf dem Rücken eines wild gewordenen Pferdes durch die Wüste, grasende Ziegen stoben erschrocken auseinander und Octavio lacht. Er und Phillipe folgen mir ebenfalls im Gallopp und nachdem man sich erstmal daran gewöhnt hat macht es rießigen Spass. Wie Cowboys reiten wir durch die Landschaft bis sich an den Innenseiten unserer Schenkel blaue Flecken bilden. 

Nach zwei Stunden halten wir an einem Pool, inmitten kurioser Sandformationen. Natürliches Wasser aus einer unterirdischen Quelle beschert uns eine willkommene Erfrischung. Wir springen rein, tauchen und schwimmen um die Wette. Es ist der perfekte Tag in einer perfekten Landschaft.

Auf dem Rückweg finden wir sogar einen Ziegenkäse und ihr könnt Euch die Freude im Gesicht eines Franzosen nicht vorstellen, als er den Käse in der Hand hält. 

Bis zum Abendessen dösen wir in den Hängematten, reiten ist ganz schön anstrengend und unsere Beine schmerzen erbährmlich. Zu meinen unzähligen Mückenstichen haben sich nun noch ettliche blaue Flecken gesellt.

Nachdem wir im Kerzenschein unseren Käse verspeist haben (leider hat er nicht gehalten, was wir uns erhofft hatten) machen wir uns auf zum Sterne gucken.

Es ist eine ganz klare Nacht, ein warmer Wind weht und über uns breitet sich ein unbeschreiblicher nördlicher Nachthimmel aus. 

Mit einer Stirnlampe suchen wir uns einen Hügel in der Wüste, untersuchen ihn zuvor gründlich auf Skorpione und Killerameisen und legen uns dann auf den  Wüstenboden.

Wir haben kaltes Bier, rauchen schweigend einige Zigaretten und jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach. Der Himmel ist klar und weit, die Sterne unzählig und es herrscht eine unglaubliche Ruhe, der warme Wüstenboden wärmt den Rücken. Es ist so schön! 

 

Ich könnte für immer in der Wüste bleiben, aber wir wollen weiter Richtung Macoa, 8 Stunden südlich der Wüste, am westlichen Rand des Amazonas-Regenwaldes. 

Wir verabschieden uns noch schnell von dem grünen Papagei, der im Baum über unserem Zelt wohnt und der uns jeden morgen mit ¨Hola, buenas dias¨ geweckt hat. Wenn ich dann gelacht habe, hat er mein Lachen nachgemacht, aber so perfekt, das ich mich erst erschrocken habe und dann noch mehr lachen musste. Ich hätte ihn gerne mitgenommen.

 

Ihr Lieben zu hause, ich schreibe euch das ales aus Macoa, während ich gegen mindestens 10 Spezies von Ameisen kämpfe. Macht euch keine Sorgen, es geht mir Bestens und ich hoffe euch bald wieder schreiben zu können. Bilder hochladen ist nach wie vor ein Problem und wird in Ecuador wahrscheinlich nicht besser. 

Genießt das Oktoberfest, danke für die ganzen Bilder von Euch Feierwütigen, nächstes Jahr bin ich wieder dabei....oder aber auch nicht... wer weiß das schon. 

Besos y abrazos!

 

 

07.08.14-13.08.14

Betrunkene Kolumbianer, Kaffee und viele nette Menschen

 

Von Leticia im Amazonas bin ich innerhalb kürzester Zeit wieder zurück im Großstadtdschungel Bogotas. Ich beschließe gleich weiter zu fahren, mir die heutigen Übernachtungskosten zu sparen und mit dem Nachtbus sofort nach Manizales in die Kaffeezone aufzubrechen.. 

Ich fühle mich Elend, der letzte Trip sitzt mir tief in den Knochen und ich bin fiebrig. 

Bitte lass endlich den Bus los fahren, denke ich, denn ich habe das dringende Bedürfnis mich hinzulegen und einfach mal die Augen zu schliessen. 

Aber leider sollte es ganz anders kommen. Mit einer guten Stunde Verspätung werde ich um halb elf nachts in einen Sprinter mit 18 Sitzplätzen verfrachtet. Ich habe einen Sitz in der Reihe direkt hinter dem Fahrer, meine Füsse kann ich nur angewinkelt auf dem Mittelpodest abstellen, Sicherheitsgurte gibt es nicht, links und rechts von mir sitzen zwei Männer. Überhaupt sitzen in diesem Bus nur Männer, die meisten haben Tüten mit Bierdosen dabei und beginnen sofort nach dem Einstieg sich ordentlich zu betrinken. Da sitze ich also, in einen brütend heißen Sprinter mit 17betrunkenen Kolumbianern und laut dröhnender Salsamusik, die Fahrt dauert sieben Stunden. Ich möchte sterben, oder zumindest mein Körper, jeder Knochen tut mir weh und die Mückenstiche jucken erbahrmungslos. 

Der Kolumbianer neben mir zieht an meinen Haaren. Sie gefallen ihm, er scheint noch nie rötliche Haare gesehen zu haben. Er versucht immer wieder ein Gespräch mit mir zu beginnen, zupft an meinem Arm, haucht mir seinen Alkoholatem entgegen. Meine anfänglichen netten Worte wandeln sich schnell in harsche, aber irgendwie will er mich nicht verstehen. Mein Kopf dröhnt, Schweiß steht mir auf der Stirn, der Körper streikt, die Salsamusik nervt und der Kolumbianer gibt keine Ruhe. Ich bin am Ende angelangt. Hier scheint meine natürliche Grenze erreicht zu sein. Tränen laufen mir die Backe runter. Ich will in ein Bett, nur weg hier. Mein SItznachbar zu Linken scheint nun doch zu merken, das ich alleine nicht mehr zurecht komme und weist meinen Verehrer zurrecht. Als dieser weiter an meinem Pullover zieht und meine Haare begrapscht bietet er mir einen Platztausch an und endlich endlich habe ich ein bisschen Ruhe. Ich habe den Fensterplatz von ihm bekommen und kann nun zumindest meinen Kopf an der kühlen Scheibe anlehnen. Die Straße windet sich die Berge hoch, immer wieder setzt der Fahrer zu waghalsigen Überholmanövern an und ich frage mich wie wir es schaffen nicht mit einem der unzähligen, entgegenkommenden Trucks zu kollidieren. In den hinteren Reihen beginnen die ersten ihr Bier zu erbrechen, gefolgt von denen der  vorderen Reihen. Der Fahrer ist  gut vorbereitet und es werden kleine Plastiktüten verteilt. 

Um fünf Uhr morgens werde ich durch einen unsanften Schubser geweckt, ¨Manizales, senorita!¨, ich scheine tatsächlich eingeschlafen zu sein. Bevor ich überhaupt richtig wach bin, sitze ich mit meinem Koffer an einem verlassenenen, stockdunklen Busbahnhof, weit unter mir die Lichter der Stadt und es ist bitter kalt.

Bis um halb sieben kämpfe ich mit billigem instant Kaffee, eingemummelt in meine Decke, am Busbahnhof gegen die Müdigkeit. Als es endlich hell ist nehme ich mir ein Taxi und nur 20 Minuten später liege ich in einem schönen Bett im neuen Hostel, ich habe den ganzen Schlafsaal für mich alleine..

 

Weil gerade ganz vieles anderes passiert fass ich mal die nächsten drei Tage in Manizales etwas zusammen. Mit David, einem Politikwissenschaftler aus London, Annika und Steffen zwei Lehramtsstudenten aus Kostanz und Olivia, eine Politikwissenschaftlerin aus Washington habe ich die nächsten drei Tage verbracht. Es waren unglaublich unterhaltsame Stunden,, denn alle diese Menschen hatten spannende Geschichten zu erzählen. Wir haben zusamenn einen 5000m hohen Vulkan erklommen und ich habe einen halben Tag lang alles über Kaffee gelernt und eine Kaffeeplantage besichtigt. Es ist wohl mit eines der spannensten Dinge auf so einer Reise, die Menschen die man unterwegs trifft, ihre Geschichten, ihre Gründe fürs Reisen, ihre Lebenspläne, Lieblingsbücher und Filmempfehlungen.

Ich trenne mich schweren Herzens von Manizales, es war einfach gemütlich und ich hatte Zeit mich zu erholen, aber es zieht mich weiter nach Salento. Ein kleines Bergdorf, umgeben von Nebenwäldern mit 60m hohen Wachspalmen und Kolibris.

 

Als ich in Salento ankomme und meinen Koffer 30Minuten über eine Schotterstraße Richtung Hostel ziehe kommt mir David entgegen! Die Backpackerwelt ist klein und meistens haben alle den mehr oder weniger gleichen Weg. Wir verabreden uns abends zum Essen. 

Mein Hostel ist diesesmal ein Hippiehostel, ohne Internet, dafür wird mit man mit einemLächeln einerm Kaffe und Raeggaemusik empfangen. 

Als ich abends dann auf dem kleinen Dorfplatz im Restaurant sitze und auf David warte, steigt Olivia aus dem Bus!

Während ich genüsslich meinen gegrillten Saibling mit fritiertem Bananenbrot verspeise lausche ich der politischen Diskussion von Olivia und David über die Nahostpolitik der USA. Es gibt kaltes Bier, die Kinder kicken auf der Plaza, über uns der Sternenhimmel.  

Als wir aufbrechen ist bereits so spät, das es keinen Jeep mehr zum Hostel gibt. Aber Olivia, die in die gleiche Richtung muss, und ich haben keine Lust durch die stockdunkle Nacht zu gehen. Etwas ratlos stehe wir auf der Plaza. 

Aber Kolumbien wäre nicht Kolumbien, wenn sich nicht sofort jemand nach unserem Befinden erkundigen würde. Und so sitzen wir keine zwei Minuten später bei Don Pedro hinten auf dem Pritschenwagen und werden zum Hostel chauffiert. Normalerweise transportiert er damit Kälbchen zum Viehmarkt, aber für die beiden Gringas macht er auch mal eine Ausnahme. 

 

Am nächsten Morgen um neun treffen wir uns wieder auf dem kleinen Plaza Bolivar, denn wir wollen zum wandern. Auf niedrigen Plastikstühlen sitzen wir vor einem ¨ambulante¨, essen pan de queso, trinken Kaffee, der hier mit Zuckerrohrwasser aufgebrüht wird und wachen langsam auf. Um uns herum beginnt der Tag schleppend. Die Geschäfte in den niedrigen Kolonialhäusern öffnen ihre Türen, die Straßenhunde recken und strecken sich,, Teenager in Schuluniformen machen sich in Gruppen auf zum Unterricht. Dichter Nebel hängt in den Palmenkronen, die erste Salsamusik des Tages, warme Luft...ich genieße dieses Leben. 

 

Die Wanderung führt uns entlang eines Baches ins Valle de Cocoa. 1000 Höhenmeter durch dichten Nebelwald mit urzeitlichen Farnen und Orchideen, links und rechts türmen sich vulkanische Hügel, die dichtbewachsen sind von den berühmten Wachspalmen der Zona cafeteria. Wir wandern still hintereinander her, die Höhe von 3000m macht uns allen zu schaffen. Der Weg schlängelt sich, wir überqueren abenteuerliche Hängebrücken und werden von hunderten bunter Schmetterlinge begleitet. 

An einer kleinen Hütte bekommen wir chicha de pina serviert, ein Bier gebraut aus Ananas. Es schmeckt scheusslich, aber wir haben schnell raus, das die Kolibris hier total auf dieses Zeug abfahren! 

So verteilen wir das Gebräu großzügig im Wald und bestaunen die nur ca. 5cm kleinen Vögel, wie sie  mit ihren langen Zungen eifrig  Bier schlürfen und  sich wahrscheinlich einen ordentlichen Rausch antrinken.

 

Nach fünf Stunden und tausend Höhenmeter verabschiede ich mich von David und Olivia, die morgen weiter fahren. Ich setzte mich noch ein bisschens in Restaurant an der Plaza, mit einem Guanabana con leche, dem leckersten Getränk aller Zeiten und koste das dort kostenlose w-lan aus. Da erhalte ich eine Nachricht: Alexa, von meinem Wüstentrip, kommt morgen abend nach Salento! Ich freue mich rießig auf einen Mädelsabend und aufs Deutsch sprechen.      

 

Den nächsten Tag verbringe ich damit gemütlich ein Buch über einen Slowenen zu lesen, der den Amazonas in seiner gesamten Länge von 5000km durchschwommen hat. Es ist schön Zeit zu haben und ein Buch zu lesen. Ich weiß nicht wie lange es her ist, das ich diese Ruhe hatte...ich tauche völlig ab und bin für vielke Stunden mit dem dicken Slowenen auf dem Fluss, viele Dinge erkenne ich wieder und freue mich das selbst für Profisportler Moskitos wohl die größte Herrausforderung sind.

 

Abends mache ich mich dann auf den Weg ins Dorf und treffe Alexa! Wir sind gleich alt und uns in vielerlei Hinsicht so ähnlich, das ich das Gefühl habe eine sehr gute Freundin wieder zu treffen. Wir haben uns regelmäßig geschrieben und doch gibt es tausend Dinge bei ein paar Bier zu bereden. Unteranderem gibt es nämlich auch hier beim Reisen unter Frauen nur ein Thema: die Männer. Und so vergesse ich fast ganz, das ich am anderen Ende der Welt in einem kleinen Bergdorf sitze.

 

Nach einem entspannten Schlaf in meinem Hippihostel ohne Elektrosmog, nur mit dem Klang der Grillen und dem leisen Prasseln des Regens auf das Wellblechdach, wache ich am nächsten Morgen auf. 

Der Besitzer des Hostels, Agosto ist um die vierzig. Er hat lange Dreadlocks, die unter einer gehäckelten Mütze gebändigt werden. An seinen Armen und um den Hals baumeln unzählige Ketten und er strahlt die Ruhe eines Menschen aus, der angekommen ist. Und in dieser Ruhe bereitet er uns ein Frühstück, das mich unendlich glücklich macht, denn es ist eine Rarität: es gibt ein Müsli mit frischen Früchten und frischer Milch, Vollkornbrot und huevos completos (Rühreier mit Tomaten, Zwiebeln und frischem Koriander). ich könnte ihn dafür knutschen! Bob Marley singt, die Vögel zwitschern und ich löffle mein Müsli, während mein Blick über die endlosen Kaffeebüsche wandert, in der Ferne die Hügel mit den Wachspalmen. Ich geniesse diese Momente! 

Nach dem Frühstück packe ich meine Koffer, heute gehts nach Popayán. Auf der Panamericana Richtung Süden, denn mein nächstes Ziel ist Ecuador. Dort habe ich mich zu einem Sprachkurs angemeldet, der in einer Woche beginnt. Das heiß für mich, ich muss jetzt mal ein paar Kilometer machen, auch wenn der Abschied aus Kolumbien sehr schwer fällt.

 

 

 

29.08.14--07.08.14

TingTing, die grüne Hölle und schamanische Wunderheilung 

 

Nach zwei entspannten Tagen in Medellin fahre ich am 31.08 mit dem Bus zurück nach Medellin. Ich komme um 9Uhr abends an und habe nach 90Minuten in der Schlange stehen tatsächlich ein Taxi ergattern können. In der Hand ein Zettel mit einer Adresse. 

Die Adresse gehört zu TingTing, eine HongKongChinesin, die hier für ein halbes Jahr als Voluntärin Englisch unterrichten wird. Ich kenne sie nicht, sie ist eine Bekannte von Luca und hat mich angeschrieben, das ich mich melden soll, wenn ich wieder in Bogota bin.

Nett, denke ich und nehme das Angebot bei ihr zu übernachten gerne an. Allerdings schreibt sie mir später, lebt sie in einem Studentenwohnheim, teilt sich das Zimmer mit einer Kanadierin und aus Platzmangel müsste ich eben bei ihr im Bett schlafen.

Naja, denke ich...immerhin ein Bett und kein Bussitz oder ein Amerikaner, der einen nachts ins Bein beisst, ich werde es überleben..

Der Taxifahrer  lässt mich vor einem dunklen Haus in einer dunklen Straße aussteigen und ist in null komma nichts auch schon um die nächste Straßenecke gebogen.

Das Haus ist umzäunt, meine prepaid-Karte leer und ich stehe um kurz vor elf nachts etwas hilflos in der Gegend rum. Erstmal eine Rauchen, denke ich, schnaufe tief durch und da steht auch schon Mustafa neben mir. Er wohnt auch im Wohnheim und nimmt mich mit rein. Im gleichen Moment kommt Tingting um die Ecke: ¨Hey Nicole, nice to meet you! Are you hungry?¨.

Und so nehme ich mit TingTing aus Hongkong, Mustafa aus Kairo und Jeremia aus Sao Paulo ein spätes Abenessen in der Wohnheimskantine ein. Sie arbeiten hier alle als volunteers bei verschieden NGO´s, alle sind fertig mit dem Studium, haben etwas mit Wirtschaft studiert und möchten einfach keinen 9to5-Job. Und so arbeiten die Drei  für ein kleines Taschengeld in Kolumbien und wollen erstmal noch eben die Welt retten bevor sie hinter den Schreibtischen der Welt verschwinden.  Ich mag sie, das sind wirklich nette Menschen. 

Allerdings bin ich totmüde und die Betten im Wohnheim sind sehr klein und die Idee mit dem geteilten Bett finde ich immer weniger toll. ¨Es gibt ein freies ZImmer im Wohnheim, da kannst Du heute Nacht übernachten, Du musst nur morgens alles wieder aufräumen, das es nicht auffällt¨, sagt TingTing und ich bin überglücklich. Ein eigenes Zimmer, ein richiges Bett und ein voller Bauch, herrlich!

 

Am nächsten Morgen muss ich mich schnell von meiner Gastgeberin verabschieden, denn ich habe so gut geschlafen, das ich den Wecker überhört habe. Aber ein Wohnheim wäre kein WOhnheim, wenn nicht andere dafür soregn würden, dass man irgendwie aufwacht.

Ich bin trotzdem spät dran, denn um 10Uhr geht mein Flug in den Amazonas nach Leticia. 

 

Eine kleine Landebahn im Nirgendwo, 1000km Luftlinie südöstlich von Bogotá, und auf dem Landweg nicht zu erreichen. 

Ich steige aus dem Flugzeug und heiße, tropische Luft schlägt mir entgegen. Ich bin im Amazonas, dieser Gedanke alleine macht mich schon unendlich glücklich. 

Der Koffer ist schnell da und ich verlasse das Flughafengebäude. Sofort bin ich von einer Schar Taxifahrer umringt, die nach mir und meinem Gepäck grapschen. Ich wehre mich erst freundlich und dann auch etwas deutlicher, bis zu meinem Hostel ist es nicht weit und ich will zu Fuß gehen. 

Als ich mich endlich aus der Meute befreit habe und die erste Meter unbehelligt gehe, hält schon wieder eine Frau auf einer Vespa neben mir. ¨No, tengo dinero!¨, ich habe kein Geld, mache ich ihr gleich recht unfreundlich klar. ¨Tranquilla!¨, beruhige Dich, sagt sie lächelnd. Sie sagt eine Frau sollte nicht alleine gehen müssen und sie fährt eh in die Stadt, wenn ich will kann ich mit. Sie reicht mir den Helm, den Koffer klemmen wir zwischen uns und fünf Minuten später setzt sie mich vor meinem Ziel ab. Man muss sie einfach lieben, diese Kolumbianer!

 

Mein Hostel ist ruhig und ich habe den Schlafsaal ganz für mich alleine. Fünf Tage werde ich hier sein, also mache ich mich auf den Weg, um nach spannenden Touren durch den Dschungel Ausschau zu halten. 

Da ich eh kaum verstehe was die Guides mir da auf spanisch erzählen (englisch kann keiner), handhabe ich es wie mit der Speisekarte, ich nehme einfach das, was am exotischsten klingt und lasse mich überraschen. Ich buche drei Tage und zwei Nächte im Amazonas bei Alfredo. Er sieht nett aus und erzählt etwas vom campen, Piranhas fischen und wandern. Klingt ja ganz prima soweit. 

Da die Tour erst am übernächsten Tag startet, schreibe ich mich noch für einen Tagesausflug nach Porto Nerino, 70km flussabwärts ein. 

Ich schlafe schlecht in dieser Nacht, es ist drückend heiß, der Deckenventilator surrt unablässig und von draussen döhnt Salsamusik, die gegen drei Uhr morgens vom Hahn der Nachbarn abgelöst wird.

Um acht stehe ich pünktlich am Hafen und werde mit einer Gruppe Senioren in ein kleines Boot gepackt. 

Naja, Abenteuer hatte ich mir anders vorgestellt, aber so als Auftakt zum Eingewöhnen vielleicht auch gar nicht schlecht.

Wir fahren eine Weile auf dem schlammbraunen, ca. ein Kilometer breiten Strom flussabwärts, links und rechts nichts als dichter Wald.

Wir besichtigen einen Seerosensee, eine Affeninsel und ein indigenes Dorf, dessen Bewohner uns verkleidet in ihrer traditioneeln Tracht gelangweilt einen Tanz vorführen. Zum Schluss werden die Omis noch von den tanzenden Frauen untergehakt und das ganze wird immer abstruser. Fehlt nur noch, das wir einen Club-Tanz einstudieren. So hatte ich mir das nicht vorgestellt!

Nach einem gedigenen Mittagessen gehts dann zum Glück wieder zurück Nicht, das es keinen Spass gemacht hätte, aber es war irgendwie nicht so abenteurlich.

Ich lasse mir auf dem Rückweg den kühlen Fahrtwind um die Nase wehen und überlege schonmal, was ich morgen so alles mitnehmen will, als plötzlich eine Gruppe der berühmten rosa Flussdelfine neben dem Boot auftauchen! Ich bin auf der Stelle versöhnt, den dieser Anblick ist atemberaubend!

Drei Meter große pinkfarbene Delfine mit langen Nasen tauchen immer wieder neben uns auf, zeigen ihre Flossen und scheinen großen Spass zu haben, von uns fotographiert zu werden.

Überglücklich trete ich meinen Heimweg an, genieße noch ein kühles Bier in der Hoffnung, das ich diese Nacht besser schlafen werde. 

Am nächsten Morgen packe ich meinen kleinen Rucksack als oberstes und wichtigstes Tool packe ich Bye-Bye, mein unschlagbares Mückenspray ein. Sogar an eine lange Hose, Langarmshirt und einen warmen Pullover denke ich, man weiß ja nie....

 

Um acht Uhr besteige ich dann ein kleines Peque-Peque, eine Art Kanu mit Aussenbordmotor, und das wahre Abenteuer kann beginnen!

Wir sind zu fünft: Jorge, ein vierzigjähriger Anwalt aus Madrid, der uns nur einen Tag begleiten wird. Dan, ein muskelbepackter Kroate, der in Moskau als Personal-Trainer eine Oligarchen-Gattin fit hält. Marcos unser Guide und John, der Peque-Peque-Kapitän. 

Allein unter Männern.... da kommt das Willkommen-Bier morgens um acht gerade recht!

Wir fahren zwei Stunden in unserem kleinen Boot auf dem Fluss und ich habe schnell die Oorientierung verloren, denn der Amazonas hat viele, viele Nebenarme und genausoviele Inseln. Wir machen es uns gemütlich, trinken Dosenbier, machen uns miteinander bekannt und geniessen den Fahrtwind.

Schnell wird klar, daß wir drei sehr unterschiedliche Ansprüche an diese Tour haben: Jorge möchte eine kolumbianerin kennenlernen, denn er ist frisch geschieden und bedarf wohl etwas Trost. Ich bezweifle allerdings, das er eine heissblütige Latina im Urwald finden wird. Dan stellt sich vor, dass er mit einer 8m langen Anaconda kämpft, während ihn jemand dabei filmt, damit er es dann auf facebook posten kann, ich möchte so viele Tiere wie möglich sehen und einen Medizinmann treffen. 

Wir alle werden das bekommen, was wir uns wünschen, nur in einer etwas anderen Version, als wir uns das vorgestellt haben.

 

Unser erster Halt ist ein kleines Dorf auf der peruanischen Seite. Hier können wir alle Tiere des Amazonasgebietes anschauen. Marcos sagt, es sei eine Art Gnadenhof für alte oder verletzte Tiere, aber ich bin mir nicht sicher, ob es nicht einfach eine Touristenattraktion ist. Ich bin ein bisschen enttäuscht, denn diesen Zirkus hatt ich ja schon am Vortag. 

Nichts desto trotz, ich geben es zu, ist es total schön so ein kleines, kuschliges Faultier auf dem Arm zu haben, ein Äffchen von seinem neuen Lieblingsplatz auf meinem Kameraobjektiv zu scheuchen, einen Kaimanzu streicheln und ein Wasserschwein namens Julio zu füttern.

Und dann gab es auch noch eine Anaconda. Und Dan´s Wunsch wurde schneller wahr als ihm wohl lieb war.

In allen möglichen und unmöglichen Positionen musste ich ihn mit dem 3m langen Reptil fotographieren. Es sollte dabei immer so aussehen, als seien wir dabei in der Wildnis. Es war absehbar, daß dieses Posing dem posierlichen Tierchen schnell zu viel werden würde und es dauerte nicht lange bis sie Dan einmal ordentlich in seinen Oberschenkel zwickt. Hysterisch schleudert er die Arme Schlange zu Boden, wobei ein kleiner Reisszahn in seinem Oberschenkel stecken bleibt.

Ich habe ehrlich Mitleid mit dem Tier, mein Mitleid für den kroatischen Bodybuilder hält sich stark in Grenzen und  ¨unglücklicherweise¨ habe ich in der Aufregung vergessen zu filmen.

Als die gaaaannnnzzzz schlimme Wunde mit einem Heftpflaster versorgt ist, geht´s für uns weiter in das nächste Dorf.

Das Dorf besteht aus kleinen Holzhäusern auf Stelzen, die sich um eine grüne Wiese reihen, auf der ein paar  Hühner gemütlich Insekten picken.

Im Haus von Antonio bekommen wir ein leckeres Mittagessen (Reis und Fisch, wer hätte es gedacht) und schnell ist das halbe Dorf versammelt um den Gringos beim Essen zuzusehen.

Es ist brütend heiß und unsere Kleider sind schweissnass, unsere Füsse schwimmen in den obligatorischen Gummistiefeln, die wir hier wegen dem ganzen Matsch und gefährlichen getier tragen müssen.

Wir machen einen kurzen Marsch durch den nahen Wald und jeder Schritt ist in diesem Klima anstrengend. Mit einer Machete bahnt uns Antonio immer wieder unseren Weg durch Palmwedel, Lianen und sonstigem Gewächs frei.

Wir erreichen einen kleines Flüsschen, weniges Meter breit und dicht bewachsen mit Wasser platzen. Am Ufer sitzt ein nackter, alter Mann und wäscht sich, weiter oben reinigt eine frau die Wäsche.

Wir setzten uns in ein kleines Kanu und rudern ein Stück weiter hoch. Die Geräusche klingen fremd, Vögel, Affen, Frösche und allerlei Insekten brummen, zwitschern, glucksen. Es dämmert schon leicht und unsere ständigen Begleiter sind Heerscharen von Mosikos, die nur müde über mein Bye-Bye lächeln.

Wir fischen. Antonio macht es uns vor. Mit einem ein Meter langen Holzstab, an dessen Spitze ein Dreizack befestigt ist, erlegt er gleich den ersten Teil unseres Abendessens: Nach einem kurzen Sichten des Wassers, schleudert er blitzschnell den Speer in das undurchsichtige, braune Wasser und schon zappelt ein Fischchen um sein Leben.

Da ich abends nicht verhungern will, versuche ich es auch. Unzählige Male, man muss genau darauf achten, wo kleine Kreise die Wasseroberfläche durchbrechen und dann sehr schnell den Speer werfen. Und tatsächlich: nach wenigen Versuchen habe ich einen Fisch gefangen. Er ist so klein, das er fast in meiner Hand verschwindet und wir lassen ihn wieder frei. Irgendwie ist es grausam und ich beschließe heute Abend vegetarisch zu essen.

Als es immer mehr dämmert, kehren wir zurück zum Dorf, die Jungs waren ähnlich erfolgreich mit dem fischen wie ich und erspeisen wir die Fische die Antonio für uns gefangen hat.

Während die Fische in der Pfanne brutzeln kommen uns die Dorfkinder besuchen: Valeria, die in dem Haus gegenüber der großen Kokospalme wohnt (so die Adresse) bringt ihre Haustiere mit: Drei handtellergroße Schildkröten, die sie im Fluss gefangen hat. Sie ist sehr stolz auf ihre Tiere und die Kinder veranstalten Dinge mit den kleinen Reptilien, die jedem Tierschützer die Schamesröte ins Gesicht treiben würden. Valeria ist ganz begeistert von Jorge, dem Spanier und weicht ihm keine Sekunde mehr von der Seite, mit großen Augen strahlt sie ihn an und piesackt ihn immer wieder. So hatte sich der gute Mann seine Latina wohl dann doch nicht vorgestellt.

 

Nach dem Essen machen wir uns auf um Kaimane zu beobachten. Wir nehmen wieder das kleine Kanu und fahren nun durch eine stockdunkle Nacht, den über uns haben sich dicke wolken gebildet. Aber links und rechts, als wären alle Sterne vom Himmel auf die Erde gefallen funkelt und glitzert es: Millionen von kleinen Glühwürmchen zeigen uns den Weg, während dicke Kröten mit unheimlichen, hohlen Glucksgeräuschen das Ganze musikalisch untermalen. 

Plötzlich greift Antonio ins Wasser, wühlte etwas umher, ich kann es in der Dunkelheit nicht genau sehen, und dann sagt er: Lights on!. 

Wir schalten die Taschenlappen ein und in der Hand hält er einen Kaiman. Mit der Hand gefangen. Ich bin sprachlos. Das Tier ist ca. 50cm groß und liegt ruhig in seiner Hand.

Dan ist Feuer und Flamme, er veranstaltet sofort die wildesten Posen mit dem armen Geschöpf und insgeheim wünsche ich mir, das der Kaiman auf die gleiche Idee kommt wie die Anaconda....aber er ist ganz ruhig. Ich bekomme ihn in die Hand gedrückt, ich habe etwas Angst, aber er scheint fast zutraulich, atmet ganz ruhig und fühlt sich gut an. Ich lasse ihn wieder ins Wasser und gemütlich  verschwindet er im grünen Dickicht. Wir sehen und fangen noch zwei weitere Kaimane, bevor wir langsam und ganz still im Dunkeln zurück durch diese faszinierende Natur gleiten.

Wir machen uns auf zu unserem Nachtlager. Es befindet sich eine gute halbe Stunde vom Dorf im dichten Amazonas. Mit Taschenlampen bewaffnet, waten wir durch den schlammigen Boden. Antonio und sein Schwager spannen eine Plastikfolie zwischen zwei Bäumen auf und darunter werden drei Hängematten und Moskitonetze befestigt. Über uns donnert und blitzt es gewaltig.

Ich mache es mir in meiner Hängematte gemütlich und gestehe, das ich ziemliche Angst hatte: vor dem Gewitter, den unheimlichen Geräuschen, Spinnen, Schlangen und Jaguaren. Irgendwann schlafe ich aber doch ein, denn die Hitze hat mich ziemlich geschafft...und der Caipi aus selbstgebranntem (glaube ich nicht) Cachaca hat sein übriges getan.

Wir schlafen übrigens in unseren durchschwitzen, schlammigen Kleidern, denn eine Dusche gibt es nicht im Dorf und ein Bad im Amazonas war heute nicht vorgesehen (nur als Info für all diejenigen, die so was ähnliches vorhaben.)

 

Am nächsten Morgen, gehts nach einem Frühstück zurück nach Leticia, wo wir Jorge absetzten. Klebrig und stinkend wie wir sind fahren Dan und ich dann weiter in eine kleine kolumbianische Kommunne die Libertad heißt. Zuvor bekommen wir von Marcos noch Lebensmittel und Trinkwasser in großen Kanister mit auf den Weg, den diese gibt es dort wo wir nun hinfahren wohl nicht. 

 

In Libertad wohnen 300 Leute vom Stamm der Yaguar. Wir werden von Gustavo, unserem Guide für diesen Tag und die kommende Nacht  in Empfang genommen. Ein kleiner Mann, drahtig, 48 Jahre alt. 

Kaum angekommen brechen wir sofort auf. Gustavo sagt wir müssen zu einem Lager wandern, das drei Stunden tief im Urwald liegt.

Die HItze und die Luftfeuchtigkeit sind schier unerträglich, meine langen Kleider (als Schutz vor den Moskitos) sind komplett durchgeschwitzt, die Gummistiefel kleben an meiner Hose fest.

Aber ich habe bereits gelernt, das ich hier keinen Frauenbonus geniese. So trage ich tapfer meinen kleinen Rucksack, darauf befestigt eine Tüte mit Lebensmittel, unter anderem zwei Klio Reis und trage einen 5Liter Kanister Wasser in der Hand. 

Der Dschungel hier, ist so wie man ihn sich vorstellt. Die äume so hoch, das man ihre Spitzen nicht sieht, dickes Gestrüpp undurchdringlich, Lianen, Insekten, Frösche und unzählige Spinnweben, die immer wieder in meinem Gesicht  kleben bleiben. Es ist anstrengend, aber ich versuche mit den beiden Männer Schritt zu halten, so gut ich kann. Unser Weg ist nur wenige Zentimeter breit und Gustavo uns ihn uns mit der Machete regelmässig befreien. Wir balancieren auf dünnen Baumästen über kleine Bäche, versinken immer wieder bis zum Knie im Schlamm, meine unzähligen Mückenstiche jucken am ganzen Körper.

 

Einmal bleibt unser Guide stehen und zerhackt mit der Machete einen toten Baumstamm, wühlt dann etwas in der tiefe des Stammes umher und präsentiert uns stolz die dickste und ekligste Made, die ich je gesehen habe. Sie ist daumendick und -groß, leuchtend weiß und hat einen Kopf wie eine Wespe. Gustavo erzählt, dass man sie Kindern lebend zum essen gibt, wenn sie einen Asthmaanfall haben. Wir packen sie in ein Blatt und später wird Dan das eklige Ding gegrillt verspeisen. Brrrrrrrr.....

Wir wandern weiter und ich merke wie ich immer schlechter hinterher komme. Das Tempo ist zügig und ich verfluche mich ein ums andere mal nicht genügend spanisch zu sprechen um die Touren besser auswählen zu können als ich plötzlich einen heftigen Bauchkrampf bekomme.

 

Es bleibt nicht bei dem einen Krampf, meine Gedärme scheinen schlagartig gegen alles zu rebellieren: die Hitze, das Gewicht, die Anstrengung. Kalter Schweiß bildet sich auf meiner Stirn und ich bitte die Männer anzuhalten. 

Hinter dem nächsten Baum verlässt das Frühstück meinen Körper im Form von Wasser, während mein Bauch plötzlich heftig schmerzt. 

Ich hole tief Luft, es geht mir nun ein bisschen besser und wir setzten unseren Marsch fort, wir haben erst die hälfte des Weges hinter uns. 

Es dauert keine fünf Minuten bevor sich das ganze wiederholt, und keine zwei Minuten bis zum dritten mal. Dan nimmt mir netterweise den Wasserkanister ab, denn ich kann kaum gerade gehen. 

Gustavo legt mir die Hand auf die Schultern und sagt: Keine Angst, ich Schamane! 

Vo mir aus hätte er der liebe Gott sein können, denn schon wenige Meter weiter such das Essen den oberen Weg, um meinen Körper zu verlassen. 

Ich kann nicht mehr. Ich habe das Gefühl augenblicklich zu sterben, in dieser brütenden Hitze. Ich möchte mich einfach nur hinlegen, aber wohin? In den tiefen Matsch zusammen mit zentimetergroßen Ameisen und unzähligen Spinnen! Ich gehe in die Hocke und erbreche, breche, breche alles heraus was sich in mir befindet....ich sehe Sternchen, Kreise und bunte Punkte vor meinen Augen...

Und plötzlich steht Gustavo neben mir und hält seine Hände an meine Stirn: ¨Tranquilla, nina¨, ganz ruhig, Mädchen. Als würde er etwas aus meinem Körper ziehen bewegt er seine Hände zu und von meinem Körper weg, er summt dabei eine Melodie, läuft um mich herum, sammelt alle schlechte Energie ein und schleudert sie mit animalischem Gegurre zurück in den Wald. Ich habe keine Ahnung wie lange diese Prozedur dauert, aber schlagartig fühle ich mich voll neuer Energie, die Übelkeit und die Schmerzen sind wie weggeblassen, nur ein kleiner Schwindel bleibt. 

Wir können weiter wandern und ich habe meinen Schamanen getroffen.

 

Wir erreichen eineinhalb Stunden unser erstes Lager, ohne weitere medizinische Zwischenfälle.

Das Lager besteht aus einem Lagerfeuernd einem Unterstand aus Palmwedeln mit offenen Seiten. Auf dem Boden liegen ebenfalls Palmwedel. Es nieselt leicht. 

Ein weiterer Guide namens Victor, Raphael aus Deutschland und Jaime, sein kolumbianischer couchsurfing-Freund grillen gerade ein Hähnchen auf einem Stock über dem offenen Feuer.

Ich lasse mich auf den nassen Palmwedelboden fallen mir ist alles egal, ich bin nur froh endlich hier zu sein.

Gustavo sagt, ich brauche nochmal eine Behandlung, denn Durchfall ist im Dschungel sehr gefährlich und er will sicher sein, dass ich schnell wieder genese. ich höre wie die Jungs ihre Heldengeschichten austauschen und ergebe mich in die schamanistischen Hände.

Ich soll mich auf den Boden legen, was ich widerwillig befolge, denn es krabbelt überall. Er bittet mich mein T-Shirt ein Stück weit hochzuschieben, während er sich eine Zigarette anzündet. Dann stimmt er wieder sein Gemurmmel an, inhaliert tief den Rauch und pustet ihn mir auf den Bauch, bückt sich nieder, dockt mit den Lippen über der Magenregion an und saugt mit gurgelnden Lauten  meine Haut leicht an. Anschließend pustet er heftig aus und hechelt all das Böse Richtung Wald.

Diese Prozedur wiederholt er unzählige Male am Bauch, den Fingern, den verschwitzen Zehen, an meinen Ohren, meiner Stirn und meinem Hinterkopf. 

Ich möchte nicht behaupten das ich danach das blühende leben war, aber mein Bauch hatte sich offensichtlich beruhigt. Ich war es beschämt, als Ärztin die gegen Durchfall lediglich Kochsalzlösung entgegenzusetzten hat von einem Schamanen innerhalb kürzester Zeit geheilt worden zu sein.

 

Leider können wir in unserem Lager nicht übernachten und so brechen wir, ich ohne Essen, wieder auf. 

Ein zweistündiger Marsch, es regnet in Strömen und die Erde dampft. 

Ich fühle mich schwach und möchte nichts mehr wie mich wieder hinlegen. Aber die Jungs haben ein Tempo, das keine Pausen erlaubt. Ich erinnere mich an das Buch von Clara Rosas, die von den Guerilla entführt wurde. Immer wenn sie auf den langen Märschen durch den Dschungel das Gefühl hatte nicht mehr zu können, hat sie sich in Gedanken etwas Schönes vorgestellt und sich in die heile Welt in ihrem Kopf geflüchtet. Ich tue es ihr gleich. Und während ich patschnass immer wieder im Schlamm versinke, während der Rucksack auf meinen Schultern drückt und mir schleimige Äste ins Gesicht schlagen, stelle ich mir vor wie ich in einem sauberen Bett liege, frisch geduscht, ein Teller mit belegten Broten neben mir und ein toller Film in der Klotze läuft. Und so vergehn die zwei Stunden irgendwie dann doch.

 

Abends grillen wir Würstchen überm Feuer, dazu gibt es Reis und wir tauschen Geschichten aus. Ich fühle mich nach dem Essen besser und lausche in die Nacht.

Ich bekomme eine letzte Schamanenbehandlung und freue mich wie eine Schneekönigin, als die Guides ein Zelt für uns aufschlagen. Ich hatte schon befürchtet im Freien auf dem Boden schlafen zu müssen und von Termiten zerfressen zu werden. Nein, alles halb so schlimm: 

Ich schlafe auf dem nackten Zeltboden, eingequetscht zwischen Dan und Raphael und werde von einer Million Moskitos aufgefressen, die sich ihren Weg ins Zelt durch ein kleines Loch in der Plane gebahnt haben.

Irgendwie geht auch diese Nacht vorüber und am nächsten Morgen wandern wir vier Stunden zurück ins Dorf. Große Tiere haben wir keine gesehen, denn diese ziehen sich in der Trockenzeit in den tieferen Dschungel zurück und ich gestehe ich war auch gar nicht mehr so scharf darauf.

Wir ereichen das Dorf, bekommen ein Mittagessen und nach zwei Tagen in verdreckten, verschwitzen Klamotten, einer akuten Durchfallerkrankung mit Erbrechen und ungeputzten Zähnen höre ich das Wort bano, Badezimmer!

Das Badezimmer ist der bootanleger unten am Fluss. Unzählige Kinder sind dort und springen vom Anleger in das schlammbraune Wasser. Es ist mir egal, ob das Wasser braun ist, ob es rießige Fische gibtoder die Frauen nebenan Wäsche waschen und wir tun es den Kindern gleich und springen ins kühle Wasser.

Die Kinder vom Dorf haben zudem noch eine Attraktion in ihrem Erlebnisbad: vom 1,5m hohen Steg aus springen sie in ein riesiges Matschloch und versinken darin bis zum Hals.  Die Jungs machen es ihnen ohne zu zögern nach, ich verzichte dankend. Irgenwo und irgendwie habe ich meine Grenze erreicht. 

Nachdem wir nachmittags noch versucht haben Piranhas in einem Fluss zu angeln, was sehr schwer ist, gehts für Dan und mich nach Hause, also nach Leticia. Rapha und Jaime bleiben noch ein paar Tage bei Gustavo.

Irgendwie verbinden solche Erlebnisse ja schon und ich beginne sogar meinen kroatischen Bodybuilder mit den russischen Allmachtsallüren langsam gerne zu haben und so gehe ich mit ihm abends noch was essen und zwei bier trinken.

Als ich endlich mein Hostel erreiche dusche ich stundenlang, schruppe mir gründlichst die Zähne und verarzte soweit es geht meinen von Insekten geschundenen Körper.

Ich schlafe den Schlaf der Gerechten, geschlagene 13 Stunden bis mich mein Wecker um halb elf weckt.

Ich muss zum Flughafen, auf zu neuen Abenteuern ;-)

 

 

Meine lieben Daheimgeblieben. Nichts hat mich im Hostel nach der Rückkehr aus dem Dschungel so sehr gefreut wie die vielen whatsapp-Nachrichten und mails! Vielen Dank!

Die Nächsten Tage in den Bergen geht Es wohl gemächlicher zu und ich hoffe Euch bald wieder schreiben zu können!

Eure überaus und rundum glücklich Nici!   

25.08.14-28.08.14

Seeräuber, ein unleidiger Fisch und die ehemals gefährlichste Stadt der Welt

 

Busbahnhof Riohacha am Morgen. Alexa und ich steigen am Busbahnhof aus dem Taxi und sind sofort umringt von Männern und Frauen der verschiedenen Busgesellschaften. Es wird an meinem T-Shirt gezupft, nach meinem Koffer gegrapscht und winkendene Hände versuchen uns in ihren Bus zu bekommen: ¨Santa Marta, Cartagena, Bogotaaaaa, Senora, vamos, vamos, Santa Marta¨

Unsanft werde ich in den Bus nach Cartagena, meinem nächsten Ziel, geschupst. 

Ich sitze neben einem Jungen, der einen wenige Tage alten Welpen in einer Papiertüte mit dabei hat. 

Der Motor starten und unweigerlich mit ihm die unvermeidliche Klimaanlage und ohrenbetäubende Salsamusik. Sieben Stunden liegen vor mir, die kurze Nacht steckt noch in den Knochen und ich merke, das ich keine 20 mehr bin.

Ich habe ein bisschen Heimweh und so höre ich eine Folge SWR1 Leute und schlafe ein. 

Als ich nach zwei Stunden aufwache, fahren wir gerade an den Wellblechhütten von Palomino vorbei, weiter durch Santa Marta, wir überholen Eselkarren, es folgen triste Strassenränder übersät mit Müll, Mangobäume, kleine Ortschaften mit Häusern, die eher Barraken sind. Immer wieder steigen Leute ein, die lauthals irgendein Heilmittel gegen sämtliche Krankheiten dieser Welt anpreisen. Sehr beliebt scheinen Pülverchen gegen Impotenz zu sein, denn diese finden reißenden Absatz.

Es wird Mittag und der Hunder plagt mich.In kolumbianischen Bussen kein Problem, den man kann sich sicher sein, dass innerhalb weniger Minuten ein Essensverkäufer einsteigt. Ich schlage fritierte Yucca, fritierte Banae Bananen und Arepas, die ich jetzt echt nicht mehr sehen kann, aus und entscheide mich für ein warmes Essen, was in einer Styroporbox angeboten wird. 

Ich öffne die Box und habe gegrillte Leber mit Banane, Bohnen und Reis erstanden. Es schmeckt erstaunlich gut, doch als wir wenig später an einer Unterführung vorbeikommen sehe ich die, oder vielleicht eine ähnlliche, Produktionsstätte meines Mittagessens: Die bekannte Blechwanne als Grill, das Fleisch liegt ungekühlt von dicken Fliegen umringt in der Sonne, drumherum Berge von Müll und eine dicke alte Frau mit dreckiger Kittelschürze füllt die Boxen mit den Händen.

Erstaunlicherweise geht es meinem Bauch gut, nur mein Kopf hat etwas mit dem Gegessenen zu kämpfen.

Wir fahren weiter durch Barranquilla, eine Stadt die für ihren Karneval und den damit verbunden hemmungslosen Sex berühmt ist. Hier mündet ausserdem der Rio Magdalena ins karibische Meer, einer der größten Ströme der Welt. 

Barranquilla ist eine Industrie- und Hafenstadt, in der Ferne große Tanker, am Straßenrand das bekannte Bild aus Müll, Eselkarren, Motorrädern und....Wasser! Viel Wasser, schon wieder überflutete Straßen, so sehr das unser Bus Schwierigkeiten hat, sich fortzubewegen. Hier gibt es nämlich kein Abwassersystem, lese ich, und die Folge sind alltägliche Überschwemmungen.

An einer Straßenkreuzung werde ich plötzlich vom Busfahrer aus dem Bus komplementiert. So stehe ich mit meinem Koffer in einer Gruppe Straßenhändler, die Cola, Wasser und Kaugummis verkaufen und weiß nicht wo ich bin, noch was passiert ist, bis mir plötzlich klar wird, das ich wohl in den anderen Bus ein Stück weiter hinten steigen muss. Strassenhunde springen mich an, es riecht nach Erbrochenem und Müll und ich beschließe Baranquilla nicht in meine TopTen- Liste der schönsten Städte Kolumbiens aufzunehmen.

Es dämmert bereits als wir endlich Cartagena erreichen. Ich bin zu geizig fürs Taxi und beschließe den öffentlichen Bus ins Stadtzentrum, was gut eine Stunde entfernt liegt, zu nehmen.

Gar nicht so leicht, den für Touristen ist der um ein vielfaches billigere Bus nicht vorgesehen. Ich finde ihn trotzdem und steige mutig als einziger Fahrgast ein, ein Mann ohne Zähne und kein Gramm Fett am Körper kassiert 90Cent von mir und wir fahren los. Mittlerweile ist es Nacht und der Bus füllt sich mit dubiosen Gestalten, die wir am Straßenrand aufsammeln. Die Fahrt dauert ewig, es ist rushhour in Cartagena. 

Irgendwann deutet mir mein zahnloser chauffeur an, das ich austeigen soll: ¨ El centro, Senora¨, das Zentrum. 

Als ich nach einer weiteren halben Stunde mein Hostel erreiche, glaube ich mich im Paradies und die lange Anreise ist sofort vergesen. Ich habe das El Genovese erreicht, ein Hostel wie im Bilderbuch mit schattigem Patio, in dem ein kleiner Pool den Mittelpunkt bildet. Ein kolonialer Bau mit Dachterasse auf denen leuchtend rot die Bouganvillien blühen und ich die wunderschöne Altstadt überblicken kann. 

HImmel sei Dank! Ich dusche gefühlte 90 Minuten und mache mich nochmal auf, ein wenig die Beine vertreten. Gleich an der ersten Ecke sitzt Donald aus Jamaica in seiner Eckkneipe gemütlich in einem Stuhl und nippt an einem kalten Bier: ¨ Hey chica, try my mojito, if you don´t like you don´t have to pay.¨

Na, das lass ich mir nicht zweimal sagen und setzte mich zu ihm und einer Engländerin mit ghanaischen Wurzeln. Mojitoooooo. Ahhhhhhhhhh! Das ist genau das Richtige.

Während ein warmer Wind weht, Pferdekutschen  die  anderen Touristen durch die kolonialen Gassen an uns vorbei kutschieren und auf der Plaza zwei Jungs aus Chile Gitarre spielen, höre ich mir Donalds Geschichten an.

Berühmtheiten waren schon in seiner Bar, der Chef von Warner Brothers, der kolumbianische Präsident und die nötigen Mädels hat er ihnen auch immer gleich besorgt. Er zeigt mir Bilder, für die die Regenbogenpresse wohl ein Vermögen bezahlen würde und gibt noch eine Runde Bier aus. 

Als ich in mein Bett sinke bin ich so müde, das ich sogar das Einschlafen verpasse.

 

Der nächste Morgen in Cartagena beginnt mit Regen und ich fühle mich elend, müde, ausgelaugt. Ich beschließe mir heute einmal nichts anzusehen und ein bisschen Haushalt zu machen. 

Der nächste Supermarkt ist schnell gefunden und ich kaufe alles Obst, was ich bisher noch nicht probiert habe (hier sei kurz angemerkt, das nicht alles lecker war). 

Anschließend wasche ich auf der Dachterasse meine Wäsche, schreibe den Blog und lese ganz viel nach: über die Wayúu, la Guajira und das Blitzphänomen über der Wüste. 

Und schon war der Tag vorrüber, mit den Beinen im Pool beginne ich mein neues Buch zu lesen, es handelt von dervon der Entführung Ingrid Betancours durch die Guerilla 2002.

 

Am nächsten Tag bin ich immer noch nicht wirklich fit und so schlendere ich einfach ziellos durch die Altstadt, die wirklich eine der schönsten ist, die ich je gesehen habe. Bunte Häuser, überall leuchtende Blumen, auf den Gehsteigen sitzen Obstverkäufer und haben Berge von Avocados, Bananen, Papaya und Limetten vor sich aufgetürmt. Ich setzte mich auf einen kleinen Platz und schaue den Leute beim Mühle spielen zu, gleich daneben das Luxushotel Santa Clara, vor dessen Tür ein zwei Männer in weißem Livree den kolumbianischen Schönheiten die Türen aufhalten.

 

Um fünf mache ich mich wieder auf um rechtzeitig meinen Nachtbus nach Medellin zu erwischen. 

Diese Busfahrten durch die Stadt sind einizigartig, denn man fährt durch Gegenden in die man als Tourist nicht kommt. Cartagena ist bunt, in jeder Hinsicht: es mischen sich afrikanische und indigene Gesichter, die Frauen tragen Schüsseln mit Holz und Gemüse auf dem Kopf, von überall her dröhnt laut die Salsa-Musik, es wird gehupt, die schwarzen Abgaswolken der Busse benebeln einem das Gehirn, ein alter Mann läuft mit einem Bund toter Fische durch den Bus. Die Frauen tragen hier Hotpants und knallenge, neonfarbene Trägershirts ungeachtet ihrer Körperausmaße, überall wird gelacht, Kinder schlafen auf den Armen der Mütter, Hunde, Katzen und Hühner streunen durch die Straßen. Es fällt einem leicht sich vorzustellen wie hier vor 300 Jahren die Seeräuber eingefallen sind, fast meint man es sei keine Zeit vergangen.

Nach einer gründlichen Durchsuchung durch die Polizei, und mit gründlich meine ich das wohl keines meiner Körperteile nicht abgetastet wurde, steige ich endlich in den Bus, in dem jetzt schon gefühlte 10°C herrschen. Aber diemal bin ich vorbereitet: ich habe alles dabei: zwei Pulover, eine Jacke, einen Schal, Wollsocken, Ohrenstöpsel und ein Kissen.

Aber was soll ich sagen? Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: die Frau neben mir, fäht wohl zum erstenmal in ihrme Land Bus und hat nur ein T-Shirt an...so werde ich meinen zweiten Pullover los. Der Film ist dieses mal so laut, das selbst Ohrenstöpsel wie ein Witz erscheinen und plötzlich macht sich auch noch der Mittagsfisch in meinem Bauch bemerkbar und quält sich über Stunden langsam wieder ans Tageslicht und es war ihm dabei völlig egal, das es auf der Bustoilette kein Toilettenpapier gibt. Aus Verzweiflung habe ich dann beim ersten Essensverkäufer Unmengen an Sandwiches gekauft um an ein paar Servietten zu gelangen. Jaaaaa....es ist hier nicht nur spassig!

Als wir am nächsten Morgen Medellin erreichen und ich endlich im Hostel bin falle ich in einen tiefen Schlaf. Medellin hin oder her, hier könnte das Paradies sein, alles egal, hauptsache schlafen.

 

Gegen Mittag wache ich erstaunlich fit auf und mache mich auf in die Inenstadt. Medellin, was zu Zeiten Pablo Escobars die gefährlichste Stadt der Welt war, ist völlig anders als Cartagena. Es liegt in einem Talkessel, umgeben von grünen Bergen, kein Papierchen liegt am Strassenrand so sauber ist es hier und ich fahre mit einer ultramodernen Metro in die Stadt. Schwer vorzustellen das hier bis in die 90iger der blanke Terror geherrscht haben soll, einzig ein paar Bilder von Botero, dem berühmten kolumbianischen Maler und Bildhauer, im Museeum erinner daran.

Abends koche ich mir eine Gemüsesuppe, da ich meinem Bauch noch nicht über den Weg traue und gehe früh schlafen.  

 

 

22.08.14-25.08.14

Nächtlicher Besuch, Strassensperren und der erste Regen in der Wüste

 

Riohacha erreiche ich am späten Vormittag, es hat gefühlte 50 Grad und es geht ein angenehmer Wind. Ich schlendere am breiten Strand entlang und beobachte die Pelikane, die halsbrecherische Kunststücke vollführen, um etwas von den Calmaren zu erhaschen, die die Fischer gerade ausnehmen.

In einem Restaurant esse ich eine Kokossnussfischsuppe mit Kokosnussreis und trinke dazu eine Kokosnusslimonade, eine Spezialität in Riohacha. Die wichtigste Spezialität hier, Zicklein gekocht im eigenen Blut, steht glücklicherweise nicht auf der Karte.

 

Nach diesem Kokosnuss-Overkill muss ich mich erstmal auruhen und mache es wie die Kolumbianer: ich suche mir an der Strandpromenade ein schattiges Plätzchen unter Palmen und schaue den Wayúu-Frauen dabei zu, wie sie ihre berühmten, bunten, selbstgehäkelten Taschen verkaufen.

Es ist erstaunlich, aber die Stunden vergehen hier wie im Flug und bevor ich mich versehe ist es sechs Uhr und eine knallrote Sonne versinkt im Meer. Zeit rasch aufzubrechen, denn Riohacha gehört zu den Städten, in denen man als Touristin nachts nicht mehr alleine unterwegs sein sollte.

 

Im Hostel begrüsst mich James aus San Francisco, er und eine Kolumbianerin mit Kind, die hier ebenfalls Taschen verkauft,  teilen uns heute Nacht  das ziemlich runtergekommene Hostelzimmer.

James und ich vertreiben uns die Zeit bis zur Müdigkeit draussen auf der Terrase, mit den üblichen Gespächen unter Backpackern: ¨wie lange reist Du, wo warst Du bereits, was kannst Du empfehlen, wohin gehst Du als nächstes?¨, um nach eine Weile zu den etwas persönlicheren Standardfragen überzugehen:¨warum reist Du und was machst du danach?¨.

Ich habe bereits erstaunliche Geschichten gehört, die von James ist einfach: Als Ski-und Mountainbikelehrer wurde es im zu langweilig und er reiste nach Peru, dort hatte er einen lukrativeren Job als Englischlehrer, blieb 9 Monate und ist jetzt in Kolumbien um einen Deal mit den Wayúu-Taschen zu machen, die in den Staaten gerade sehr angesagt sind und zu horrenden Preisen verkauft werden.

 

Um elf  verabschiede ich mich, und versuche bei immer noch 50Grad ein  bisschen Schlaf auf den harten,,  mit Polyester bezogenen Betten  zu finden. Morgen geht es schliesslich in die Wüste und ich will fit sein. 

Irgendwann schlafe ich dann auch ein und träume wild von Kokosnüssen, Pelikanen und den bunten Wayúu-Frauen bis mich etwas um kurz vor fünf ins Bein beisst.

Kein Scherz, ganz leicht in die Wade. Im ersten Moment denke ich: ein Gecko oder ein Krebs vom Strand und erst nach einigen Schrecksekunden erkenne ich das Tier, das sich wie selbstverständlich an mich ran kuschelt und trotz der Hitze wohl ein bisschen Wärme sucht: mein reizender Mitbewohner aus San Francisco! 

Diese Angelegenheit kann ich zum Glück schnell klären ohne böse Folgen für James oder für mich, aber zukünftig werde ich wohl sehr genau darauf achten, in einem Zimmer mit mehreren Leuten zu schlafen.

 

An Schlaf war folglich nicht mehr zu denken und so stehe ich um sieben etwas gerädert, mit einem kleinen Rucksack bepackt, vorm Hostel und warte bis ich von einem Jeep abgeholt werde. Dieser soll mich und wohl noch ein paar andere, zum nördlichsten Punkt auf dem südamerikanischen Festland bringen: nach Puntas Gallinas, gelegen in der Wüste der Guajira-Halbinsel, die von den Wayúu bewohnt wird.

 

Ich kaufe noch schnell ein paar Kekse, als auch schon John, ein ca. 23jähriger Wayúu mit fester Zahnspange mit seinem Jeep um die Ecke biegt.

Mit im Jeep sind Soléne und Felippe aus Frankreich, ich setzte mich auf die Rückbank zu Lettice und Alexa.

Lettice kommt aus England und hat während der WM in Manaus als Freiwillige für die FIFA gearbeitet, danach  sie es alleine, ohne ein Wort spanisch, geschafft durch Venezuela zu reisen ohne ausgeraubt zu werden. Eigentlich ist sie Geologin und wenn sie in 9 Monaten zurück nach London kehrt möchte sie für Greenpeace arbeiten. 

Alexa zu meiner Rechten, kommt wie ich aus Deutschland, hat mein Alter und arbeitet bei BMW in München. Sie spricht fließend spanisch, was Lettice und mir noch sehr zu Gute kommen wird.

In einem bunten Sprachengewirr aus spanisch, englisch, französisch, deutsch und Wayúu geht es über eine Schotterpiste Richtung Manaure. Uns begleitet ein zweiter Jeep mit nochmal vier Touristen aus Frankreich und England.

 

Die Gegend ist karg, ein paar niedrige, knorrige Savannenbäume stehen einsam am Weg und immer wieder tauchen wie aus dem Nichts Menschen auf einem Fahrrad auf und transportieren damit allerlei Kuriositäten.

Wir erreichen Manaure, welches sich durch weite, weiß-glitzernde Salzfelder angekündigt hat. Der Ort besteht aus 10 Lehmhäuser mit Wellblechdächern, 100 Einwohner und 1000 Strassenhunden, die alle von der Meersalzgewinnung leben. Immer wieder denke ich, dieser Ort könnte genauso gut an der Straße nachDjibuti in Somalia liegen, denn die Wayúu-Frauen tragen lange, weite Gewänder in bunten Farben und afrikanisch-anmutenden Mustern. Farblich passend dazu liegt ein langes Tuch schleierartig über dem Kopf. Sie haben eine sehr dunkle Hautfarbe und fast immer tragen sie Kinder, gesammeltes Holz oder irgendwelche anderen nützlichen Gegestände mit sich herum. 

Die Wayúu-Männer treffen wir dann  vor einem rießigen, strahlend weißen Salzberg. Klapprige, vom Rost zerfressene Ford-LKWs aus den 1950iger Jahren stehen mit ihren Ladepritschen bereit, Reaggaeton-Musik dröhnt und die Männer schaufeln unermüdlich Zentersäcke voll mit Salz, verladen sie in der prallen Sonne und versorgen somit einen Großteil Kolumbiens mit dem weißen Gold.

Gebannt stehen wir fünf daneben und beobachten diese kräftezehrende Arbeit, aber bereits nach einer viertel Stunde tränen die Augen von der Sonnenreflexion und die Hitze ist schier unerträglich. Mit dem Gefühl verweichlichte Europäer zu sein flüchten wir uns in den klimaanlagen-gekühlten Jeep zurück und fühlen uns alle ein bisschen schlecht.

 

Wir erreichen Uribia, die Hauptstadt der Wayúu  schnell zu tanken. Leider müssen wir etwas länger warten den der Tanklaster aus Venezuela mit dem Diesel hat Verspätung und so reihen wir uns in die wartende Autoschlange ein und beobachten das Treiben auf der Straße: Ziegen laufen zwischen Motorrädern auf der Straße herum, eingespännige Eselkarren fahren beladen mit ein paar Papayas zwischen Jeeps umher. Vor improvisierten Ständen, sitzen die Menschen auf Plastikstühlen und wie immer wird alles verkauft, was man eben so braucht, hier vorallem Wasser. Denn Wasser ist eines der knappsten Güter in diesem Landstrich und nun, am Ende der Trockenzeit sogar gesetzlich rationiert. 

Wir decken uns mit soviel Wasserflaschen ein, wie der Kofferraum aufnehmen kann und wundern uns über die Berge an Keksen, die unser Fahrer John noch oben drauf packt. 

Nachdem der Tanklaster die Tanks befüllt hat, geht für uns die Reise weiter nach Cabo de la Vela.

Ab hier reisen wir off-road, das heißt keine Straßen, keine Schotterpiste sondern den Spuren eines Jeeps vor uns folgend durch eine trockene Wüstenlandschaft.

Tiefe Schlaglöcher schütteln uns ordentlich durch und beim Blick aus dem Fenster tauchen am Horizont immer wieder Seen auf, die jedoch nichts weiter sind als Luftspiegelungen, Fata Morganas, des blauen Himmels über uns.

Wir erreichen Cabo zur Mittagszeit. Der Ort liegt in einer bucht, in der die Wüste direkt in das türkisfarbene Meer übergeht. Die Hitze flirrt über dem kleinen Ort, der nur aus einer Straße besteht. Links und rechts befinden sich eine handvoll Lehmhäuser, Gatter aus abgeholzten Kakteenstämmen bilden die Ställe für die Ziegen und am Strand ein paar Fischerboote und spielende Wayúu-Kinder, etwas weiter entfernt zwei Kite-Surfer.

In einem Restaurant bekommen wir gegrillten Fisch mit Kokosreis, Gemüse oder Obst gibt es in der Wüste nicht. 

Nach dem Essen fahren wir zum Pilon de Azucar, ein Hügel von dessen Spitze aus man über die ganze Bucht und vorallem den wundervollen weißen Sandstrand bestaunen kann.

Endlich...verschwitzte Klamotten aus, Bikini an und ab ins Meer!!! Relativ schnell muss ich jedoch erkennen, das hier nix ist mit gemütlich im Wasser planschen, denn die Strömung ist stark und die Wellen hoch, zweimal  erwische ich eine ungünstig und muss mit viel geschlucktem Salzwasser und Schürfwunden vom Sand erkennen, daß Wasser nicht mein Element ist.

Ich ziehe mich also wieder an und stapfe tapfer in die Wüste hinein: Sand, Steine, Geröll und hunderte, nein tausende weiße Meeresschneckenhäuser, manche so groß wie meine Hände und viele andere Muscheln. Es ist sehr still hier, nur der Wind pfeifft, aber Licht und Schatten, die Steine, kleine Büsche, die winzige rote Blüten tragen faszinieren mich so sehr, ziehen mich in ihren Bann und ich vergesse völlig die Zeit. 

An einem anderen Strandabschnitt mit felsigem Ufer schaue ich einem Wayúu beim Fischen zu. Er hat nichts weiter als eine Angelschnur und seine Hände. Und so steht er in einiger Entfernung von mir auf den Felsen und wartet, während die Wellen die Gischt über die Wüste, in unserem Rücken, treiben und kleine Regenbögen über dem sandigen Boden entstehen. Pelikanschwärme fliegen in Formation über uns Hinweg und ich bin seelig.

Abends gibt es Hummer mit Reis und mit Lettice und Alexa genehmige ich mir zwei, drei Bierchen bevor wir uns zum Schlafen in unsere Hängematten begeben. 

Wir schlafen in bunten Hängematten, die in Reih und Glied  in einem Holzunterstand am Strand aufgehängt wurden.  Wie kleine bunte Larvenpuppen hängen wir da, lauschen dem Meer, dem Wind und schauen in die Sterne. Zwei, drei Straßenhunde schlafen in unserer Nähe und bewachen uns. Es gibt nichts schöneres auf der Welt!. 

Um fünf werde ich von den erstem Sonnenstrahlen geweckt. Eine einzigartige, zauberhafte Stimmung liegt diesem Morgen inne. Während die anderen noch schlafen, bestaune ich wie es bedingt durch das Wüstenlicht keinen Horizont gibt, es scheint als wäre Meer und Himmel eins und nur ein paar kleine rosafarbene Wölkchen zeigen an wo oben und unten ist. Eine rießige glutrote Sonne steigt über der Wüste auf und der neue Tag beginnt. 

Für uns geht es heute nach Puntas Gallinas. Weiter offroad, werden wir ordentlich hin und her gerüttelt, holen uns blaue Flecken und stoßen uns die Köpfe an den Überrollbügeln. Wir sausen vorbei an Kakettenwäldern, immer wieder tauchen unvermittelt ein paar magere Ziegen oder Esel auf, ansonsten nichts, nada, nur Weite und am Horizont, ganz weit hinten ein kleines Gebierge.

Plötzlich bremst John abrupt ab. Ein Seil ist quer über unseren Weg gespannt und schlagartig wird es still im Wagen. Guerilla? Überfall? Schnell krame ich meinen Geldbeutel aus dem Rucksack und quetsche ihn zwischen die Rückenlehne und Sitz. Was ist hier los? 

Da tauchen aus dem Gestrüpp plötzlich zwei kleine Jungs,  im Alter von vielleicht fünf oder sechs Jahren, mit sehr ernstem Gesicht auf. John bedeutet Filippe auf dem Beifahrersitz das Fenster zu öffnen und drückt ihm eine Tüte Kekse in die Hand. Lachend werden diese von den zwei ninos entgegengenommen und sie machen uns den Weg frei. Wegezoll auf Wayúu-Art.

Wir lachen, vorallem über uns selbst und unsere paranoide Vorstellung überall von der Guerilla bedroht zu sein, ein bisschen wohl aber auch aus Erleichterung, das sie es nicht war, die Guerilla. 

 

So fahren wir einige Zeit bis wir plötzlich vor eine 60m hohen Sanddüne stehen. Auf geht`s chicos, über den heißen Sand, der brenned heiß istunter unseren Füssen. Oben angekommen stockt uns allen der Atem: die Wüstendüne fällt steil ab und endet direkt im smaragdfarbenen, klaren karibischen Meer. Fast wünscht man sich einen Schlitten, um mit diesem 60m tiefer ins kühle nass zu rutschen. Aber klar, Schlitten gibt es hier auch nicht. 

Was für ein Nachmittag! Wir gehen schwimmen, sonnen uns und mit Lettice mache ich einen zweistündigen Spaziergang den Strand entlang. Wir beobachen rießige Krabben dabei, wie sie sich in den Sand und wieder ausbuddeln, beobachten kleine Muscheln, die festgeheftet an angespülten Plastikflaschen sich öffnen und schließen und dabei ihre Fingernach Wasser ausstrecken. Wie eine Blume, die sich öffnet und schließt. In einem seichten Abschnitt kämpft eine ein Meter lange grüne Wasserschlange mit einem Tintenfisch und wir bekommen Besuch von zwei mageren Eseln, die aus dem Nichts kommen und ins Nichts der Wüste auch wieder verschwinden.

Als es Abend wird geht die Fahrt weiter. Wir halten an einem kleinen Lehmhaus, wo uns eine alte Frau Diesel auf Plastikkanistern verkauft. Ein Schlauch wird hineingesteckt, mit dem Mund angesaugt und schon ist getankt. Kurz nach Sonnenuntergang erreichen wir dann Punta Gallinas. Eine Siedlung von 10 Wayúu-Familien, die hier weit verstreut am nörlichsten Zipfel des Kontinents leben. 

Es gibt, wie soll es anders sein, wieder Fisch mit Reis, während die Ziegen auf die Tische neben uns klettern um uns beim Essen zu zu sehen und ein weißes Kaninchen und zwei Hühner zwischen unseren Füßen umherirren. Draussen knattert der Generator, die Männer dösen schon in den Hängematten und über uns breitet sich ein unglaublicher Sternenhimmel aus. Wir schlafen wieder in ein paar Hängematten mit Blick auf die Wüste, über der unzählige Blitzen niedergehen. Was für ein Naturschauspiel! Ich möchte gar nicht einschlafen so schön ist es, aber die Müdigkeit ist stärker. 

 

Am nächsten Morgen verbringen wir noch einmal ein bisschen Zeit am Strand und ich versuche schöne Fotos von den türkisfarbenen Eidechsen der Wüste zu machen. 

Nach einem Mittagessen, aus Reis und Fisch, fahren wir mit einem kleinen Boot durch dunkelgrüne Mangrovenwälder und über das türkisfarbene Meer, während sich am Horizont gigantische dunkelblau-schwarze Gewitterwolken türmen. Blitze gehen über uns nieder und es wird Zeit das wir die Rückreise antreten. Vor uns liegen fünf Stunden off-road und einige wollen am Abend von Riohacha aus noch weiter fahren. 

 

Wir fahren ca. ein halbe Stunde, als es plötzlich beginnt zu regen. Der erste Regen dieses Jahres, aber einige Wochen zu früh, denn die Regenzeit beginnt normalerweise erst Mitte September. Regen in der Wüste, wir freuen uns über die Abkühlung ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, was das bedeutet. Unser Fahrer John, der Wayúu, der hier aufgewachsen ist, kennt allerdings sehr wohl die Folgen so eines 30minütigen Nieselregens und gibt ordentlich Gas. Die Fahrt gleicht nun einem Trainig für die Ralley Paris-Dakar und endet abrupt als der Motor versagt.

Wasser in den Kabeln, aber die Fahrer wissen was sie tun und nach einer dreiviertel Stunde geht es weiter.  

Der Weg wird nun zunehmend schwieriger, denn der Wüstenboden hat sich in tiefen Schlamm verwandelt, die Wege sind nicht mehr zu erkennen und wir rutschen wild umher, bleiben in tiefen Schlammlöchern stecken und kippen einmal fast um. Unsere Gruppe ist hat im nehmen, aber solangsam wird auch uns klar, das wir auf keinen Fall vor Einbruch der Nacht wieder in Riohacha sein werden. 

Es ist still im Auto, denn wir erkennen, das dies hier keine normale Situation ist und John  sich sehr konzentireren muss.

Plötzlich ist Stop. Unser Weg hat sich in einen reißenden Fluss verwandelt. Ein Fluss, mitten in der Wüste, wo noch vor einigen Stunden nichts ausser Sand, Steinen und ein paar Kakteen war.

Das Wasser reicht bis zur Wade und die Fahrer beschliessen trotzdem weiter zu fahren, es zu versuchen. Unser Auto zuerst.

Wir platschen in das Wasser und es dringt sofort durch die Türritzen. Schnell werden die Rucksäcke auf den Sitzen verstaut. Ein letzter Satz, und wir stecken fest. Kein Weiterkommen mehr.

Noch zwei Stunden bis die Sonne untergeht, weit und breit keine Menschen Seele, unser Trinkwasser besteht noch aus 2Litern, Essen haben wir keines dabei, die Handys funktionieren hier nicht.

Alle Raus aus dem Wagen, knietief waten wir barfuss durch den Schlamm und sehen zu wie Miguel, der Fahrer des anderen Jeep, den Unseren mühselig mit einem Abschleppseil wieder aus dem Fluss zieht. Zweimal reisst das Seil, bis der Wagen endlich wieder festen Boden unter den Rädern hat.

Unsere Wayúu-Fahrer bechließen einen anderen Weg zu nehmen, aber uns beschleicht das Gefühl, das wir hier verloren sind. Immer wieder schneiden uns Flüsse, den Weg ab, wir rutschen weiter durch Schlammlöcher und stossen uns unsere Ellbogen wund.

Und dann: Wayúus, Mütter mit Kindern, Männer, Ziegen und drei Autos auf der einen, drei Autos auf der anderen Seitenes tiefen Flussbettes, durch den Unmengen schlammiges Wasser strömen.

Hier ist nun endgültig das Ende unserer Rückreise, denn wir müssen warten, bis die Wüste das ganze Wasser verschluckt hat und der Wasserstand auf mindestens 50cm sinkt. Und vorallem müssen wir hoffen das es zuvor nicht nocheinmal regnet.

Die Dämmerung zieht hoch, die Fahrer reparieren ihre Wagen, ein Wayúu spielt auf dem Akkordeon und einige Männer durchqueren den Fluss zu Fuß, das Wasser reicht ihnen bis zur Brust.

Alexa und ich legen uns, von oben bis unten voller Schlamm auf die Rücksitze desWagens und hoffen dort ein bisschen ruhe vor den Moskitos zu finden. Wir haben Hunger, die Knochen schmerzen, wir haben Durst und doch: wir sind glücklich hier zu sein und den ersten Regen des Jahres in derWüste zu erleben.

Nach drei Stunden, gegen 22Uhr scheint dann der Wasserpegel endlich so weit gesunken zu sein, das wir es wagen können.

Der erste Jeep schafft es mit Mühe und Not, vorallem auf der anderen Seite den steilen und schlamm-rutschigen Anstieg zu bewältigen. Wir fahren als zweites Auto und:

Bleiben stecken! Wieder raus aus dem Wagen, wieder barfuss im Schlamm versinken und wieder warten. Diesmal im Freien, nocheinmal eine Stunde, bis die Wayúu unser Auto freigegraben und mit einem Seil und Menschenkraft aus dem Schlammfluten gezogen haben.

Nun geht es endlich weiter, fünf Stunden bei Nacht durch dieWüste, da die anderen etwas seekrank vom geschaukel sind, teilen sie sich die vordere Sitzbank, die hintere habe ich alleine für mich. Ich lege mich hin und schlafe ein, lediglich sehr tiefe Schlaglöcher können mich wecken, wenn mein Kopf gegen die metalstreben schlägt. Mir ist alles egal, ich bin einfach nur müde und hungrig, von oben bis unten voller Schlamm, Schweiß und Mosikostichen. 

Nachts um zwei kommen wir dann endlich an. Dreckig wie wir sind, machen Alexa und ich uns nochmal auf zu einem Grillstand. 

Ein lauer Wind weht, während wir auf Plastikstühlen sitzen  und gefühlte 3kg Grillfleisch schweigend verdrücken. Zwei kalte Bier zum Abschluss und um drei Uhr morgens fallen wir total erledigt aber unsagbar glücklich in unsere Betten.

Was für eine Reise.

Die Touren, der nächsten Tage werden aus Sicherheitsgründen abgesagt.

 

Schweren Herzens trenne ich mich von Lettice und Alexa am nächsten Morgen, jede von uns treibt es woanders hin. Mich nach Cartagena, der Piratenstadt mit den wunderschönen alten Kolonialbauten weiter westlich an der Karibikküste. 

 

Ihr Lieben, wenn einer eine Reise tut... dann kann er was erleben. Wie wahr! 

Ich freue mich übrings total darüber,  wieviele von Euch mir schreiben und wohl aufmerksam hier lesen. Wer hätte das gedacht! Es freut mich auf jeden Fall mega!

 

Jetzt geht es für mich erstmal Wäsche waschen, Essen kaufen, und ein, zwei andere Dinge erledigen.

 Bis ganz bald! Tausend besos!

      

18.08.14-21.08.14

Palmen, Pelikane und das süße Nichtstun

 

In Santa Marta stehe ich nun an der östlichen Ausfallstrasse und warte auf den Bus nach Palomino, der hier wohl irgendwann vorbei kommen soll. Fahrpläne gibt es hier nicht, genauso wenig wie Bushaltestellen. Man steht hier und hofft früh genug den richtigen Bus zu erkennen um ihm zu winken.

Nach einer halben Stunde erwische ich ihn und werde zwischen Säcken von Orangen zwischengeparkt.

Nach zwei Stunden Fahrt vorbei an der karibischen Küste und endlosen Bananenplantagen hält der Bus an einer Tankstelle. ¨Palomino, Senora, mototaxi?¨, ich nicke tapferden iregndwie bin ich ja noch nicht da wo ich sein will. Also rauf aufs Motorad, mein Koffer wird einfach zwischen den Lenker geklemmt und schön düsen wir auf der Schotterpiste davon. Helm? Weit gefehlt.

Im La Sirena steht eine kleine Hütte für mich bereit. Unterm Palmdach steht ein riesiges Bett, meine Dusche und die Toilette befinden sich ummauert unterm freien karibischen Himmel.

Der Strand beginnt direkt vor meiner Haustüre, eine Schaukel wippt im Wind, gespannt zwischen zwei Palmen. Es ist friedlich hier, ein paar Leute schaukeln gemütlich in Hängematten, der Sand ist muschelkalkweiß und das Meer liegt wild-tosend türkis vor mir. Pelikane fliegen in Formation dicht über den Wellen, um sich dann plötzlich in einer eleganten Drehung senkrecht ins Wasser zu schrauben.

 

An diesem Ort der absoluten Glückseligkeit verbringe ich nun drei Nächte und vier Tage. 

Fast gibt es nicht mehr zu berichten, denn die Pelikane sind hier eigentlich schon die ganze Attraktion.

Viele Touristen gibt es nicht in Palomino, ein paar Hippies sitzen abends in Grüppchen am Strand und spielen Gitarre, eine Wayúu-Familie fischt vom Strand aus und einmal kommt ein kolumbianischer Cowboy den Strand entlang geritten. 

Morgens bekomme ich ein veganes Müsli serviert, mittags gibt es gegrillten Fisch mit Kokosreis und gebratenen Bananen. Ich mache lange Strandspaziergänge, lese meinen Marquez in der Hängematte und schaue den anderen beim Yoga zu. 

 

Im Gegensatz zum reichen Bogotá ist dieser Teil Kolumbiens doch eine sehr andere Welt. 

Ich laufe durch dieses kleine Dorf und traue mich nicht zu fotographieren. Dabei gäbe es soviel, was es wert wäre auf einen Bild festzuhalten: Die einstöckigen Häuser mit Wellblechdächern, die Straßen aus Sand, die Kinder die barfuß vor der Kirche Fussball spielen. Von überall her lärmt Musik oder die Telenovelas aus dem Fernsehen dröhnen laut auf die Strasse. Vor den Geschäfte, die mehr überdachte Stände sind, wird über Blechwannen mit Holzkohle allerlei Getier gegrillt und daneben türmen sich Papayas, Mangos, Ananas und Kokusnüsse. Die Bananen werden hier gleich als komplette Staude verkauft. 

Unablässig fahren die Mototaxis hin und her, Hunde und Katzen führen eine Art Parallel-Leben und beachten mich gar nicht. Dicke Eidechsen huschen durch die Berge von Müll links und rechts der Landstrasse und am Strand finde ich ein totes Gürteltier.

Trotz allem oder vielleicht auch gerade weil es nicht perfekt ist, ist es ein herrlicher Platz, an dem man sicher nicht nur Tage, sondern Monate verbringen könnte.

 

Morgen verlasse ich nun dieses Paradies, um weiter östlich Richtung Riohacha und Carbo zu fahren.

 

 

14.08.14-18.08.14

Fliegen, Frieren, fantasieren

 

San Gil. Ich bin 1000m tiefer als in Sogamoso und es ist um vieles wärmer als in den Bergen. Zum erstenmal kann ich in kurzer Hose und T-Shirt los. 

Gleich früh um sieben fahre ich in das etwa eine Stunde entfernte Barichara. In der golden Morgensonne wirkt dieses rausgeputzte Kolonialstädtchen mit seinen weiß-getünchten Häusern und  Holzbalkonen wie eine Filmkulisse. Ich möchte von Barichara ins 10km entfernte Guane wandern.

Der Weg ist einsam, nur ein paar Kühe und Ziegen begegnen mir, sowie unzählige kleine Fossilien in den Steinen entlang des Weges. Guane selbst besteht aus einer Plaza, umgeben von ein paar Häuschen und einer Kirche. Ich setze mich in der schwülen Mittagshitze unter einen schattigen Baum. Ein alter Mann verkauft mir für 1000 kolumbianische Pesos (40cent) eine Tüte mit ca. 2cm großen, grünen Kugeln, die sich dann als eine unglaublich schmackhafte Variante südamerikanischer Litschis entpuppen. 

 

Der Tag ist schnell vorüber und gegen Abend werde ich zunehmend nervöser, denn ich habe mich verbindlich fürs paragliden angemeldet. Bis in eine Höhe von 3000m soll ich über einem Canyon schweben, festgebunden an einem Drachen und ein paar dünnen Schnüren.

Aber wieder einmal hat die Neugierde die Angst besiegt, und so gehe ich mit einem leicht mulmigen Gefühl ins Bett und freue mich doch auch ein kleines bisschen auf den nächsten Morgen.

 

Ich  frühstücke  mit einer 60jährigen Französin, die gerade vier Wochen durch Kolumbien tourt. Sie erzählt mir Geschichten, wie es war  in den 1960igern  im Elsass aufzuwachsen, wohl weil sie spürt, das ich ein bisschen Ablenkung gut gebrauchen kann. 

Um neun Uhr werde ich dann abgeholt, Miguel streckt mir die Hand entgegen und lächelt mich mit den weissesten Zähnen der Welt breit an; wenn er nur seinen Gleitschirm genauso pflegt wie seine Zähne, denke ich bei mir.

Wir fahren eineinhalb Stunden mit einem kleinen Bus, vollgestopft mit Gleitschirmrucksäcken und einer handvoll sehr cooler, sehr sportlicher, sehr durchtrainierter Paragliding-Piloten zu unserem Canyon. Bis jetzt gefällt mir der Ausflug sehr gut!

Das ändert sich dann jedoch schnell, als ich auf dem Bergplateau stehe, von dem aus ich ca. 1000m weiter unten das Flussbett des Suarez erahnen kann.

Die Berghänge fallen steil ab, ein zerfetzter Gleitschirm hängt in einem vertrockneten Gebüsch fest und flattert in den heftigen Böen, die einem hier um die Ohren sausen.

Ganz leise, sehr leise höre ich doch von irgendwoher die Melodie von Spiel mir das Lied vom Tod. Mir wird schlecht... und schwindelig....und irgendwie will ich doch nicht mehr!

Noch bevor ich jedoch den letzten Gedanken zu Ende denken kann, hänge ich festgezurrt an Haken und Ösen am Bauch von Miguel fest, hinter uns ein gigantischer Gleitschirm. Mit einem heftigen Ruck wird dieser aufgerichtet und steigt sofort in die Höhe. ¨Ruuuuuuunnnnn¨, laauuuffff brüllt mir mein Pilot ins Ohr und todesmutig renne ich, renne so schnell ich kann Richtung Abgrund.... und dann:

Ich fliege! Ich fliege ruhig wie ein Vogel über den Canyon hinweg!  Ein bisschen Rauschen vom Wind in den Ohren, die Sonne wärmt die Haut angenehm und unter mir die Anden. Ein Vogel schwebt eine Weile neben uns her und ich bin seelig.

Bis ich nach ein paar Mintuen absoluter Faszination dann doch zum erstenmal realisiere, daß ich da nur an sehr dünnen Seilen hänge und ich bekomme Panik.

¨ Rrrrelllaaaaxxxxxxx¨, entspann Dich, flüstert mir Miguel ins Ohr, ¨enjoy the beauty of nature and fresh air, this ist good for your health!¨ Ich wusste es!!! Selbst während des Ausübens einer Risikosportart wird sich noch um meine Gesundheit gekümmert. Die Kolumbianer haben echt einen Spleen mimt dem Gesundheitsdings.. 

Nach 30 Minuten setzten wir zum ersten Landeanflug an, leider sind die Windbedingungen schlecht und so komme ich in den Genuss von 20Minuten Extraflug bis wir ganz sanft, nach fast einer Stunde, wieder den Boden erreichen.

Ein kleines Tränchen der Rührung verirrt sich im Augenwinkel, kann aber auch der Wind gewesen sein.

 

In der Abenddämmerung stehe ich nun klatschnass nach einem tropsichen Regenschauer am Busbahnhof und trete die 12-stündige Busfahrt nach Santa Marta an der karibischen Küste an.

Am Busbahnhof sind verschiedene Stände der einzelnen Busunternehmen, hinter denen Mitarbeiter stehen und unablässig die angefahrenen Ziele rufen: ¨Bogotaaaaa, Medellin, Bucarrraaamangaaa¨Ës gibt auch Stände mit Süssigkeiten, allerlei fritiertem Gebäck und in einem großen Topf auf einem Gasbrenner köchelt ein Suppenhuhn vor sich hin.

Ich kenne mich aus mit Nachfahrten in südamerikanischen Bussen und bin dementsprechend gerüstet wie zu einem 2-Tage-Biwak der Bundeswehr:

Ich habe eine dicke Jogginghose, sowie einen Schal, einen Fleecepulli und Ohrenstöpsel im Handgepäck. Ausserdem habe ich eben noch schnell ein paar Arepas (Kartoffelpuffer, nur aus Mais und mit Käse) bei einer Frau mit rießigen Ohren gekauft, quasi als Henkersmahlzeit.

 

Ich sitze auf meinem Platz, der Bus fährt los und mit ihm beginnt die Klimaanlage zu arbeiten. Als ich meinen Atem sehen kann, bei ca. gefühlten 9°C beginnt die obligatorische Videovorführung: Spiderman Teil 2 in einer Lautstärke, vor der selbst meine Ohrenstöpsel kapitulieren. Mit Ganzkörpergänsehaut und bleibenden Hörschäden finde ich dann dank der Schweizer Pharmaindustrie doch noch in den Schlaf.

 

Die Karibik begrüsst mich mit gleisendem Sonnenschein um 7Uhr morgens. Auf der Toilette im Busbahnhof putze ich mir schnell die Zähne und fahre mit dem Taxi ins nächste Hostel. 

Es ist hübsch hier. In einem Innenhof befindet sich ein kleiner Pool, um den sich die einzelnen Schlafräume reihen. Zwei, drei große Kokospalmen spenden Schatten, während ich mit den Füßen im Pool einen Berg frischer Papaya zum Frühstück verspeise.

 

Ich möchte heute nach Macondo. Eigentlich heißt dieser Ort ja Aracataca und ist zum einen der Geburtsort von Gabriel García Marquez und zum anderen ist es eben auch Macondo, aus seinem Roman Hundert Jahre Einsamkeit.

Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen und steige in den kleinen Bus, der mich nach zwei Stunden Fahrt an einer Landstraße mit ein paar Motorradtaxis wieder aus spuckt. 

Ich gehe ein Stück der Straße entlang und gelange in das Dorf: gleich an der Plaza befindet sich das Geburtshaus Marquez, das schnell und ohne große Überrachungen besichigt ist.

 

Es ist schwül in Macondo. So schwül, daß es einem jeden Tropfen Wasser aus dem Körper presst, den er entbehren kann. 

Ich sitze in einem Straßencafé an der Plaza , der Plastikstuhl klebt an meinem Rücken und von vier Seiten werde ich mit Salsa-Rhythmen in der Lautstärke eines Düsenjets beschallt. Macondo 2014  ist die karibische Version von ¨Piraten in Batavia¨  im Europapark.

Fleischige, Sehr dunkelhäutige Frauen, denen man die Abstammung von den hierher,  vor 300 Jahren deportierten, afrikanischen Sklaven nicht absprechen kann, kreuzen die Straße. Neben mir verkauft ein junger Mann Hähnchen und Bananen, die auf einer Blechwanne mit Holzkohle gegrillt werden, während die Straßenhunde begierig um seinen kleinen Stand schleichen.

Ich bestelle ein kaltes Bier gegen die Hitze und vom Nachbartisch prostet mir ein alter Mann zu und entblöst dabei zwei wunderschöne Goldzähne.

Mototaxis knattern vorbei, mal mit einer Person, mal mit drei Personen und einem Baby. Von nebenan mischen sich die Kommentare launiger Fussballfans.

Ich werde angestarrt. Wohl ist mir hier nicht und ich sehne mich ein bisschen in meine ruhige Finca in den Bergen von Sogamoso.

Das Wort Schmelztiegel schießt mir hier immer wieder durch den Kopf. Soviele verschiedene Gesichter, mit afrikanischen und indigenen Zügen, so eine dampfende Hitze, die Salsarhythmen.... mir wird schwindeligund ich beschließe zurück nach Santa Marta zu fahren. Mit Macondo verhält es sich wohl so, wie mit einem Film, dessen Buch man zuvor gelesen hat. Man erkennt es, aber das Original in der Phantasie war besser.

Im Hostel führt der erste Weg dann in den erfrischenden Pool, noch ein kaltes Bier und um neun schlafe ich seelig in einer Hängematte ein.

 

Ich will es die nächsten Tage etwas ruhiger angehen lassen und habe mir nun eine kleine Hütte am Strand unter Palmen in Palomina gemietet  Hier sitze ich nun, schaue den Pelikanen beim fischen zu, lese Garcia Marquez-Bücher oder höre Radioreportagen während ich den Kokusnüssen von meiner Hängematte aus beim wachsen zusehe. 

Eines ist sicher, mein Leben hier trägt weder zum Weltfrieden bei, noch werde ich hier eine bahnbrechende medizische Neuerung erfinden, aber: 

...es ist verdammt schön!

Die allerliebsten Grüße vom karibischen Strand schicke ich Euch nach Hause!

Schreibt mir bitte weiter alle so fleißig, ich freue mich immer total über emails und whatsapp-Nachrichten

 

 

*

10.08.14-14.08.14

Backpaker-Leben, Zwiebelstadt und meine kolumbianischen Bodyguards

 

ooohhhhhmmmm.....

auf der Finca San Pedro beginnt der Tag nicht mit Frühstück, nein hier wird meditiert und das Prana aktiviert! Okay denke ich, warum nicht und nehme mal auf der Yogamatte Platz. 

¨ you arrrre herrrre to learrrrrn Tantrrrra-Yoga¨, wird mir von dem reizenden Juan, unserem Yoga-Lehrer erklärt. Waaaassss?!, denke ich. Tantra?! Das war doch die Sache mit  Sex?!  

Sofort ist mein Fluchtreflex geweckt und ich habe genug Prana oder Chi oder was auch immer ich hier bekommen soll. Zum Glück erklärt er gleich weiter,  mit einem sehr süßen südamerikanischen Akzent:¨but we doing no sexual things herrre, rrrrrelaxxxxx!¨

Ahhh okay, gut..nochmal Glück gehabt denke ich so und  turne die nächsten zwei Stunden brav nach, was Juan da vorne tiefenentspannt den Weg zur Glückseligkeit nennt. Nach zwei Stunden bin ich tatsächlich auch ein bisschen glücklich , aber noch viel mehr:  hungrig!

Die Finca ist gemütlich eingerichtet, überall wächst und blüht etwas und mit einemr großen Tasse Kaffee mache ich mich daran den ersten Eintrag über Bogotá zu schreiben, während kleine Sandmücken ihre Arbeit an meinen Füßen verrichten. 

Ich bin den ganzen Tag ein bisschen faul und wandere von einem Platz der Finca zur nächsten, lese, schreibe und  unterhalte mich mit einer Gynäkologin aus Französisch-Guyana darüber, daß arbeiten im Krankenhaus echt die Pest ist (anderer Kontinet, gleiches Problem :-))

 

Der nächste Tag beginnt ohne Turnerei, dafür mit Eric. Eric kommt von den Caiman-Islands und hat beschlossen, die Welt zu retten. Zu diesem Zweck pflanzt er überall wo er hin reist,  Moringa-Bäume und erklärt den Menschen, was sie damit anstellen können. (Facebook/moringamission) 

Der Moringa-Baum ist eine Art Super-Pflanze, die so ziemlich alles kann,  ausser das einem Flügel wachsen. Er ist so beseelt von seiner Mission, daß er mir einen einstündigen Vortrag hält, während ich gespannt zuhöre und mein huevo rovelto (Rührei)geniesse. Er lädt mich ein, Abends mit einigen anderen zu kochen, u.a. mit Teilen der Moringa-Pflanze, was ich dankend annehme.

Ich verbringe den Tag mit einem Ausflug in eine kleine Stadt, die man laut lonely planet nicht verpassen sollte: Villa de Lejva. Ein kleines, schmuckes Kolonialsstädchen, was einlädt einfach ein bisschen auf der Plaza abzuhängen, Leute zu beobachten und sich auf das Abendessen zu freuen.

Der Abend ist dann auch wirklich lustig, mit fünf Leuten aus fünf Ländern, versammelt an einem Tisch vorm lodernden Kamin. Und mit einem Essen, das aus so ziemlich jedem Gemüse und Obst besteht, was Kolumbien zu bieten hat.

Eric meint, jede Pflanze sei auch Medizin und somit gut für meine Gesundheit. Ich verstehe gar nicht, was die Menschen hier immer mit meiner Gesundheit haben. Aber als Geschenk, das ich alles brav aufgegessen habe, bekomme ich ein paar Samen der Moringa-Pflanze geschenkt, die ich dann wohl hier anbauen werde (wer ein Gewächshaus hat, bitte melden).

 

Tag drei in Sogamoso und die Sonne scheint!  Nachdem ich eine große Portion Yoga-Power-Prana-Tantra getankt habe mache ich mit auf den Weg zum Lago de Tota, nochmal 700m höher als ich eh schon bin.

Ich stelle mich also an die Straße und warte bis ein Kleinbus mit einem Schild ¨ Aquitania¨ vorbeifährt. 

Zusammen mit einem dutzend Menschen und einem dutzem Hühnerküken im Karton gehts hoch in die Berge.

In Aquitania angekommen fällt einem ersteinmal die gängige Mode auf. Hier trägt man Poncho wahlweise zum Cowboyhut oder Baseball-Cap, aber auf jeden Fall mit Gummistiefeln.

Das Leben hier ist gemächlich, die meisten Leute arbeiten als Fischer oder aber: sie bauen Zwiebeln an.

Und tatsächlich, während einem kleinen Spaziergang zum See: Zwiebeln, Zwiebeln, Zwiebeln so weit das Auge reicht.

Auf der Hauptplaza, über die ein überdimensionaler Jesus vom Kirchendach aus wacht, steht dann auch tatsächlich ein Brunnen, in dessen Mitte ein riesiger Bund Frühlingszwiebeln in Hartplastik prangt.

¨ es la capital de cebolla¨, es ist die Hauptstadt der Zwiebel,  werde ich aufgeklärt. Von wem?

Von einer Zeugin Jehowas, die mich im nächsten Atemzug bekehren möchte. Sie sind wirklich überall!

Ich flüchte mich in den nächsten Bus zurück. Platz für zehn, wir machen uns jedoch mit 14 Mann auf den Weg, inclusive einem Zentner frischer Zwiebeln, was mir mal ordentlich die Nase befreit...

 

Tag vier und somit der Tag um diesen wundervoll friedlichen Ort zu verlassen. Es regnet in Strömen als ich mich in meiner Regenbogenfisch-Verkleidung (neongrüne Regenjacke zur neonbunten Indio-Tasche) aufmachen ein Taxi zum Busbahnhof zu finden. 

Es ist wirklich eklig kalt und nass bis plötzlich ein großer, weißer SUV neben mir hält. ¨ Do you need help¨?¨ ja die brauch ich wirklich und flux hat dieser Berg von Mann, der Fahrer des Wagens, mein Gepäck im Kofferrraum verstaut. Da wir uns gleich gut verstehen fährt mich Roberto, da es eh auf seinem Weg liegt, gleich zu meinem nächsten Zwischenziel, ins 90 Minuten entfernte Tunja. 

Roberto spricht Englisch, das hat er in Dubai gelernt, wo er als Bodyguard gearbeitet hat. Wie ihr seht, ich reise also mit Personenschutz!

Während ich mit einem Kaffee und empanadas umsorgt werde, erfahre ich viel über die Guerilla, die laschen Gesetze um sie einzudämmen, und wo ich besser nicht hinreisen sollte.

Wir kommen am Busbahnhof in Tunja an und mein hühnenhafter Begleiter lässt es sich nehmen meinen Koffer und mich persönlich zum Bus zu bringen. 

Eingeschüchtert von soviel Testosteron verfrachtet mich der Busfahrer Juan Anonio gleich neben sich auf den Beifahrersitz, wo ich unter seinem persönlichen Schutz stehe. Das beschehrt mir zum einen sehr viel mehr Beinfreiheit, leider aber auch einen etwas plumpen Heiratsantrag, den ich nur mit sehr viel Mühe abwehren kann.

Nachdem Juan Antonio und ich geklärt haben, das aus uns wahrscheinlich kein Paar wird , ist er sehr bemüht mir eine angenehme Fahrt zu ermöglichen: Nach dem ersten Halt kommt er  dafür extra eingehüllt in eine Deo-Wolke zurück auf seinen Fahrersitz und verkündet stolz: ¨ Axe! Te gustas?¨ Ob es mir gefällt?:  Ich fühle mich wie ein Mosiko, welcher  in einen Autan-Tsunami geraten ist: no!, no me gusta!

Mein columbianischer Don Juan und ich trennen uns in San Gil, wo ich meine nächsten Tage verbringen werde. 

Ich werde berichten! Bis dahin: lasst es euch gut gehen und schreibt mir mal! Besoooooosssss!

 

 

 

07.08.14 -10.08.14

Hundeembryos, Cometas und die dicken Hintern der Ameisen

 

Ich wache auf und ich bin umgeben von rosa Herzchen, Comicfiguren und eine Madonna mit Jesuskind lächelt mich zur Begrüßung an. Spätestens jetzt  hat auch mein Gehirn realisiert, daß ich in Südamerika angekommen bin.

 

Es ist schon merkwürdig, wenn zwischen einem Frühstück  am heimischen Esszimmertisch und einem Frühstück in einer Wohnung in Bogotá gerademal 36 Stunden liegen. 

Ich wohne die ersten drei Tage bei Carolina und ihrer Familie im Barrio Santa Rosita, Bogotá. Es ist eine kleine Wohnung mit einem Wohnbereich und drei kleinen Zimmern, sowie ein Badezimmer, das zweimal in jede deutsche Gästetoilette passt. 

 

Gleich am ersten Morgen werde ich von Ana, Carolinas Mutter, mit einem Frühstück verwöhnt, wie es wohl nur Mütter hinbekommen. Huevo completos heisst das sensationelle kolombianische Rührei mit Tomaten und Zwiebeln. Wir sitzen zusammen am Frühstückstisch und trotz meiner fehlenden Spanischkenntnisse führen wir eine wortreiche Unterhaltung, also Ana spricht und ich nicke höflich und genieße mein Huevo completo. Naja, irgendwann auf der Reise werde ich wohl einen Spanischkurs machen müssen. 

 

Und dann gehts los... drei Tage in einer kolumbianischen Familie, in der ich niemals alleine gelassen werde. Wir erkunden Montserrate, ein Berg oberhalb der Stadt, auf die man mit einer Schweizer-Seilbahn fährt. Trotz Schweizer Markenprodukt...Seilbahnen sind mir suspekt.

Oben angekommen bestaunen wir die Jesusfigur, welcher der Legende nach, die Haare noch lange nach Erschaffung gewachsen sein sollen. Es ist kalt und meine Begleiter fürchten wohl um meine Gesundheit, denn im Anschluss an die Kirchenbesichtigung werden mir Handschuhe gekauft (es hat 19Grad), ein Eukalyptusschnaps eingeflösst und zur Krönung und zur Stärkung meiner Gesundheit bekomme ich eine Tüte dick-ärschiger Waldameisen, von der Größe eines Fingernagels, kredenzt.

Ahaaaa....ja ich habs probiert und:  nein es schmeckt gar nicht gut! Die Konsistenz von vertrocknetem Laub und der Geschmack bitter-herb. Nein, ein Antibiotikum ist mir da lieber. 

Weiter gehts mit dem Goldmuseum (sehr beeindruckend), dem Polizeimuseum, der Altstadt mit ihren kolonialen Bauten und kleinen Gassen.

Bogotas Altstadt ist bunt, laut, voller Musik und an den Straßenrändern reihen sich die ambulantes (so heißen hier kleine mobile Verkaufsstände). 

An jeden zweiten Stand kauft mir Ana eine neue Köstlichkeit, die ich probieren muss. Zum Glück gibt es keine Ameisen mehr, dafür aber frische Mango mit Salz und Limettensaft, Kokosnuss glasiert mit karamellisiertem Zuckerrohr, gegriller mazorca (Maiskolben), Früchte, die wie Kartoffeln schmecken und mit Honig gegessen werden.(chontaduro)...

 

Mein letzter  Tag in Bogotá ist der Sonntag und die Familie möchte mir die Umgebung zeigen. 

Gleich früh um sieben geht es los: Papa German hat wohl gemerkt, das ich kein Kostverächter bin und weiht mich in kolumbianische Frühstücksriten ein.

Wir kochen zusammen Chocolate, diese wir in einem speziellen Topf und Rürstab liebevoll und in Handarbeit gekocht, gerührt, geschlagen und unter familiären Diskussionen abgeschmeckt. Ein Hochgenuss!

Weniger Genuss ist das, was dann kommt.

Ich scheine wirklich einen sehr kränklichen Eindruck zu machen, den mir wird ein kleiner unscheinbarer Saft vor die Nase gesetzt. Der Inhalt: Orangensaft und ein befruchtetes Hunde-Ei. Nein, kein Übersetzungsfehler, ich habe dreimal auf verschiedenen Sprachen nachgefragt. Kolumbianer geniessen diese Medizin, um ihr Gehirn zu stärken. Meines bleibt, um Ekel gelähmt, leider wie es ist.

 

Wir brechen auf auf zu einer 45km entfernten Kathedrale, die sich 200m tief in einem Salzbergwerk befindet, und Zipaquirá heisst.  In gigantischen unterirdischen Hallen findet man dort riesige in Stein gehauene Kreuze, kleine Kappellen und alles wird in mystischen blau und grün Tönen beleuchtet. Während unserem Besuch findet dort eine Messe statt und fast bin ich ein bisschen traurig, nicht so fest im Glauben zu stehen um da mitmachen zu können.

 

Sei s drum, mich lockt mehr die Ankündigung von German, nun zu einem Markt zu fahren und ein typisches Mittagessen einzunehmen. Fast wär ich schon verhungert, denn in der Kathedrale gab es keine ambulanten Verkaufsstände!

 

Und was mich da erwarten sollte! Mitten auf dem Markplatz stehen lange Tafeln, an denen unzählige Menschen sitzen und genüsslich Berge von Kartoffeln und Fleisch verputzen, um uns herum eine kleine Band mit Livemusik, Kinder-Hopsburgen, Verkaufsstände, Luftballonverkäufer... und über allem schweben unzählige bunte Lenkdrachen, die hier cometas heissen.

German bestellt bei einer drallen Kolumbianerin in Kittelschürze unser Mittagessen: Suppe mit Reis und Innereien, Suppe mit Hühnchen und Mais, ein Berg dickschaliger aromatischer Kartoffeln, eine halbe Pute und ein komplettes Rinderbein (also vom Knie abwärts), zum runterspülen gibts ein Krug mit 2Liter Bier. Que rico! 

Den Nachtisch ergattern wir, in dem German an jedem Stand mit Süsskram erzählt ich sei ein Gast aus Deutschland, woraufhin ich soviel churros, mini-Berliner und was man sonst noch aus Zucker machen kann, zum probieren angeboten komme, dass ich auf der Fahrt ins 100km entfernte  Ráquira schwer mit meinem Magen zu kämpfen habe.

 

Auf der Fahrt dorthin wird mir alles über Kolumbien erklärt und erzählt und man spürt, wie sehr sie möchten, das man mehr als Kokain und Guerilla mit Kolumbien verbindet. Und Kolumbien ist mehr ! Vorallem leben dort Menschen, die mich mit einer Gastfreundschaft, Warmherzigkeit und Geschenken überfluten, wie ich es selten erlebt habe. 

 

Am Ende des Ausfluges, nach vielen weiteren tollen Entdeckungen, werde ich noch noch nach Tunja gefahren um von dort meine Bus nach Sogamoso zu erwischen. Es soll nicht unerwähnt bleiben, das mein Gastvater ein ernstes Wort mit dem Busfahrer gewechselt hat, unter dessen besonderem Schutz ich, nach einem tränenreichen Abschied, zu meinem nächsten Ziel aufgebrochen bin (der Busfahrer hat meinen Koffer bis zum Taxi getragen und dem Taxifahrer klar gemacht, das ich ein sehr besonderer Gast aus Deutschland bin :-)

 

Nun bin ich in Sogamosa, einem kleinen Dorf in den Bergen auf 2500m, in einer reizenden Finca.

In der früh habe ich gleich an der Yogastunde mit Juan teilgenommen um anschliessend mein Frühstück in der Sonne zwischen Dattepalmen und leuchtenden Bougainvilleen einzunehmen. 

Ich glaube ich muss nicht extra schreiben, wie gut es mir geht!

Seid alle lieb gegrüßt, bis ganz bald!

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